Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
sie verwandelt wurde.
Gut die Hälfte hatte sich so verhalten und reagiert wie Linn,als sie starben und wieder zurück ins Leben geführt wurden. Viele saßen jetzt da und starrten auf den See hinaus oder bewegten sich langsam und träumend durch den Morgennebel, der aus dem Wasser stieg. Alle waren erschöpft. Keine wollte schlafen.
Ein außenstehender Beobachter, ein Freund, ein Verwandter oder die Eltern – besonders die Eltern –, wären wahrscheinlich erschrocken gewesen und hätten gefragt, was denn hier Schreckliches passiert sei. Denn etwas Schreckliches war ja geschehen. Jede von ihnen hatte etwas Furchtbares durchgemacht.
Aber war es böse?
Auch jetzt hing es davon ab, wen man fragte. Teresa konnte sich keinen einzigen Menschen, keine Institution oder Autorität vorstellen, die dem, was sie während der vergangenen fünf Stunden hier gemacht hatten, ihren Segen erteilen würden.
Außer Theres.
Theres sagte, dass es gut sei, und sie folgten Theres’ Stern. Also war es gut.
Nicht alle hatten Erfolg gehabt. Sowohl Malin als auch Caroline hatten schon geschrien, als sie die Kiste hinuntergelassen hatten, und sie hatten weitergeschrien, als sie die Erde auf den Deckel warfen. Diejenigen, die oben standen, hatten das Loch gerade erst gefüllt, als sie auch schon begannen, es wieder auszuschaufeln. Beide waren hysterisch und absolut nicht ansprechbar, als sie wieder oben waren, sie brachen zu einem kleinen Häuflein zusammen und weinten, weinten.
Cecilias großer Körper hatte den Sauerstoff viel zu schnell verbraucht, und sie war beinahe bewusstlos, als sie zu viert die Kiste wieder heraufhievten. Als sie wieder bei Sinnen war, war sie ganz untröstlich. Sie hatte viel länger unten bleiben wollen und zählte dies als eine weitere ihrer Niederlagen.
Anna L. blieb genauso lange unten wie die anderen, aber als die Kiste wieder oben war und Theres sich über sie beugte, schob sie sie zur Seite und sagte, dass sie eine Weile allein spazieren gehen wolle. Sie war eine gute Stunde verschwunden,und als sie zurückkam, hatte sie einen großen Strauß Blumen gepflückt, mit dem sie zum Steg hinunterging, wo sie eine Blume nach der anderen ins Wasser warf.
Ronja hatte gar nicht geschrien. Als vielleicht zwanzig Minuten vergangen waren, begannen diejenigen, die bereits unten gewesen waren, leise zu diskutieren, wie lange die Luft wohl reichen könnte, worauf sie ohne größere Eile die Kiste wieder ausgruben, nach wie vor ohne jedes Signal von Ronja. Als sie den Deckel abgenommen hatten, verhielt sie sich ungefähr wie Linn, abgesehen davon, dass es länger dauerte, sie zu wecken. Zu diesem Zeitpunkt waren alle außer Miranda und Teresa bereits unten gewesen, sodass Ronjas Scheintod keine Panik verursachte.
Ronja erklärte ihr Verhalten damit, dass sie ganz vergessen habe, dass sie schreien sollte, es sei ihr überhaupt nicht eingefallen. Schon als die Kiste den Boden erreicht habe, hatte sie akzeptiert, dass sie tot war, und es gab nichts mehr zu tun. Die anderen nickten verständnisvoll, obwohl es ihnen im Gegensatz zu ihr gelungen war, einen Rest ihres Selbsterhaltungstriebs zu bewahren.
Teresa streckte sich auf dem Bretterboden aus. Sie hatten die Kiste ausgespült, nachdem Caroline sich darin übergeben hatte, aber ein saurer Geruch hing immer noch in der Nähe von Teresas Nase. Sie kreuzte die Arme vor der Brust und bemühte sich, alle Sinneseindrücke auszusperren, während Linn und Melinda den Deckel auflegten. Trotzdem knallten die Hammerschläge wie Gewitterdonner durch ihren Schädel, als sie durch den Raum verstärkt wurden.
Sie öffnete die Augen, und ein Fünkchen Licht drang durch einen Spalt am Fußende. Dann spürte sie in ihrem Bauch, dass die Kiste angehoben wurde. Und gesenkt wurde. Nach einer unerwartet langen Zeit sagte ihr ein Stoß in den Rücken, dass sie am Boden der Grube angekommen war. Das erste Rumsen der aufschlagenden Erde erklang, und sie schloss die Augen, während sie flach und langsam atmete.
Sie konnte hören, wie die Spaten in den Erdhaufen drangen und es kurz danach wieder ein paar Mal rumste. Spaten rein, rums, rums, Spaten rein, rums, rums. Es gab einen Rhythmus, und sie zählte die Schläge. Als sie bei dreißig angekommen war, merkte sie, dass sie die Spaten nicht mehr hören konnte und das Rumsen immer leiser wurde. Es gelang ihr, noch dreißig weitere zu zählen, bevor es still wurde. Ganz still. Sie wusste nicht, wie viel Erde noch eingefüllt werden musste,
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