Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
Loch versammelt hatten, konnte es niemandem mehr entgehen, was sie hier gemeinsam erschaffen hatten. Ein Grab. Sie standen dicht beieinander und schauten in das Loch hinunter, als ob sie einer Beerdigung beiwohnten, bei der das Wichtigste fehlte.
Ronja grinste und fragte: »Und wer soll hier begraben werden?«
Die Dämmerung war weit fortgeschritten, und weil Sofie die Einzige war, die eine Taschenlampe besaß, wandte sich Teresa an sie: »Hol die Kiste. Aus dem Erdkeller.« Als Sofie sich zusammen mit Cecilia auf den Weg gemacht hatte, wurden die weiteren Aufträge verteilt: Ein Hammer, Nägel und ein Seil sollten besorgt werden.
Die Kiste, die ursprünglich Sprengstoff enthalten hatte, besaß dieselben Dimensionen wie ein kleiner Sarg, und an jedem Ende war ein Ring befestigt, an dem man sie hochheben konnte. Teresa öffnete den Deckel und schüttete ein paar verschrumpelte Kartoffeln und ein paar Liter Erde aus der Kiste. Sie klopfte mit der Faust auf die Seiten und stellte fest, dass die groben Bretter gut erhalten waren. Sie würden halten. Der Hammer, die Nägel und das Band wurden gebracht.
Teresa schaute sich in der Gruppe um. Einige trampelten auf der Stelle, und ihre konzentrierten Gesichter leuchteten blassweiß in der Dämmerung.
»Wer will anfangen?«
Einige hatten vielleicht geglaubt, dass es nur ein Spiel sei, einige hatten etwas anderes erwartet, einige hatten vielleicht genau verstanden, worauf alles hinauslaufen würde, aber als die Worte ausgesprochen wurden, wandten sich die bleichen Ovale Teresa zu, Augen wurden voller Schreck aufgerissen und nicht wenige schüttelten ihre Köpfe. »Neeiiin …«
»Doch«, sagte Teresa. »Genau das werden wir jetzt machen.«
»Warum?«
»Weil es sein muss.«
Einige traten vor und berührten die Kiste, versuchten sich vorzustellen, wie es sein könnte in diesem engen Raum, zwischen den unnachgiebigen Brettern. Einige holten ihre Wolfsfellstreifen heraus und kneteten sie in ihren Händen, nuckelten daran, ohne sich dessen bewusst zu sein, sammelten Mut. Es verging eine lange Zeit, ohne dass sich jemand meldete. Dann trat Linn vor. »Ich will.«
Ein leises, erleichtertes Seufzen ging durch die Gruppe, und Teresa deutete mit der Hand auf die Kiste. Linn setzte sich hinein und schlang die Arme um ihre Knie. »Wie macht ihr es?«
»Wir nageln den Deckel drauf«, sagte Teresa. »Wir versenken dich in der Grube. Wir schaufeln Erde drauf. Und dann bist du da.«
»Wie lange?«
Theres hatte die ganze Zeit nichts gesagt. Jetzt ging sie zu Linn und sagte mit der fremden, dunklen Stimme: »Bis du tot bist.«
Linn drückte die Knie fester an die Brust. »Aber ich weiß nicht, ob ich sterben möchte. Jetzt.«
»Bis du tot bist, aber schreien kannst«, sagte Theres. »Dann schreist du.«
»Und wenn ihr mich nicht hört?«
»Ich höre.«
Linn war so klein gewachsen, dass an jeder Seite noch zehn Zentimeter Platz blieben und über ihrem Kopf noch zwanzig Zentimeter, als sie sich lang gestreckt in die Kiste legte, die Arme vor der Brust kreuzte und die Augen schloss. Die anderen standen wie gelähmt daneben, als Teresa den Deckel auflegte und einen Nagel in jede Ecke schlug. Dann schnitt sie zwei fünf Meter lange Enden von dem Seil ab und warf sie Caroline und Miranda zu.
»Zieht sie durch die Ringe. Lasst sie runter.«
Sie taten, was ihnen gesagt worden war, aber als sie das Seil hindurchgezogen hatten, noch eine Schlaufe gelegt und die Kiste zur Grube getragen hatten, begann Anna L. mit den Händen zu ringen, während sie sich ängstlich umschaute, und sagte: »Ist das hier gut? Dürfen wir das machen? Das ist doch bestimmt nicht gut?«
»Das ist gut«, sagte Theres. »Das ist sehr gut.«
Anna L. nickte und verstummte, aber ihre Hände drehten sich weiter umeinander wie zwei kleine gequälte Tiere, während Caroline und Miranda die Kiste in das Grab hinabließen. Als sie den Boden erreicht hatte, blieben sie mit dem Seil in den Händen stehen. Teresa bedeutete ihnen, dass sie es auf die Kante legen sollten.
Theres nahm einen Spaten und begann die aufgeworfene Erde zurückzuschaufeln. Die Klumpen trafen den Deckel der Kiste mit dumpfen Schlägen. Nach acht Spatenladungen war die Kiste nicht mehr zu sehen, und Anna L. sagte: »Jetzt ist es aber gut? Jetzt reicht es wohl?«
»Nimm dein Auto«, sagte Theres, »fahr weg von hier«, worauf sie weiter Erde in die Grube schaufelte. Anna L. rührte sich nicht, und Teresa nahm sich den anderen Spaten, um zu helfen.
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