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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Kurz danach nahm Sofia den dritten. Nach ein paar Minuten war das Grab wieder halb gefüllt.
    Theres gab den Spaten an Malin weiter und sagte: »Alle sollen graben. Alle sollen dabei sein.«
    Miranda fiel auf die Knie und nahm sich den einen Klappspaten, Cecilia den anderen. Wer kein Werkzeug hatte, schaufelte die Erde mit den Händen hinein, und viele von ihnen weinten dabei.
    Die Kiste reichte nicht aus, um den Platz zu füllen, den vorher die Steine und das Gras eingenommen hatten. Als sämtliche Erde hineingeschaufelt war, fehlten immer noch ein paar Handbreit bis zur Kante. Theres ging an das Kopfende des Grabs und hockte sich hin, während sie auf das schwarze Rechteck starrte.
    »Linn ist tot geworden«, sagte sie. »Linn war ein kleines Mädchen. Ein nettes, kleines Mädchen. Jetzt ist sie tot.«
    Das Schluchzen gewann an Intensität, und viele hielten sich die Hände vor das Gesicht. Der Himmel war jetzt dunkelviolett, und eine einzelne, blutrote Wolke segelte an den Ufern des Sees entlang. Gemächlich, gemächlich, als wollte sie die Zeit noch langsamer verlaufen lassen, als sie es ohnehin schon tat. Ein Seetaucher schrie und ließ alle erschaudern. Wenn der Tod einen Laut hatte, dann musste er genau so klingen. Wenn der Tod eine Form hatte, dann war es das schwarze Rechteck, das im Boden gähnte. Linns Grab.
    Die Stimmung war so versteinert, dass niemand sein Handy herauszog, um zu kontrollieren, wie viel Zeit schon vergangen war. Vielleicht fünf Minuten, vielleicht fünfzehn, als Theres den Nacken beugte, als wollte sie in das Grab hineinhorchen, und schließlich sagte: »Jetzt.«
    Teresa war sich nicht sicher, aber sie glaubte es auch gehört zu haben. Mehr ein Piepen als ein Schreien, von dem man unmöglich sagen konnte, wo es herkam, und das kaum menschlich klang. Aber es war da gewesen, und bei Theres’ »Jetzt« warfen sich alle auf ihre Spaten und Werkzeuge und drängten sich um das Grab, um die Erde so schnell wie möglich wegzubekommen.
    Es fehlten noch ein paar Handbreit, als Ronja nach dem einen Seil griff, Anna L. nach dem anderen, und beide zogen. Die Kiste wurde zusammen mit einer Erdschicht aus der Grube gehoben, die vom Deckel rutschte, als die Kiste fast über die Kante kippte.
    »Linn?«, rief Anna L. und schlug mit der Handfläche auf das Kopfende. Keine Antwort, und Teresa musste sie zur Seite drängen, um den Nagelheber des Hammers unter den Nagelkopf zu treiben und zu ziehen, während Anna immer weiter leierte: »Linn, kleine Linn, kleine, kleine Linn?«
    Der Deckel löste sich. Linn lag da, wie sie sie zuletzt gesehen hatten, abgesehen davon, dass die Arme, die sie vor der Brustgekreuzt hatte, jetzt in geballten Fäusten endeten. Ein erhabener Friede ruhte auf ihrem Gesicht. Alle standen ebenso still da, wie Linn lag, und alle waren genauso stumm, außer Anna L., die jammerte: »Wir haben sie umgebracht, was haben wir getan, wir haben sie umgebracht, die kleine Linn.«
    Theres trat an die Kiste und streichelte Linn über das Haar, liebkoste ihre Wange und flüsterte ihr ins Ohr: »Du sollst aufhören, tot zu sein. Du sollst leben.«
    Jemand schrie, als Linns Augen sich öffneten. Einen regungslosen Augenblick lang schauten sie und Theres einander in die Augen, bis Theres nach ihrer Hand griff und sie in eine sitzende Haltung hochzog. Linn betrachtete die anderen mit aufgerissenen Augen. Dann stand sie auf und ließ ihre Hände langsam, schwebend über ihren Körper gleiten.
    Der Seetaucher schrie erneut, und Linn drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Dann hob sie den Blick zum Himmel und sah den ersten Stern des Abends, während sie so tief Luft holte, dass es gar nicht aufhören wollte.
    Jemand fragte: »Wie … geht es dir?«
    Linn wandte sich den anderen zu. Sie öffnete und schloss ihre Hände ein paar Mal, musterte ihre Handflächen. Ihr Gesicht war so friedvoll, als wäre sie tot.
    »Es ist … leer«, sagte sie. »Ganz leer.«
    »Ist es schlimm?«, fragte Teresa.
    Linn zog die Augenbrauen zusammen, als würde sie die Frage nicht verstehen. Dann sagte sie: »Es ist leer. Es ist nichts.« Sie ging zu Theres und schlang die Arme um sie. Theres ließ es geschehen, erwiderte die Umarmung aber nicht, und alle hörten, wie Linn flüsterte: »Danke, danke, vielen Dank.«
    Die Sonne war über die Baumwipfel auf der anderen Seite des Sees gestiegen, als Teresa an der Reihe war. Sie hatte bis zum Schluss gewartet, weil sie erst die anderen sehen wollte, bevor

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