Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
ihrer hellen Haut. Ansonsten sah sie aus wie ein hässliches Mädchen mit Farbe im Gesicht. Sie zog sich hastig aus und stellte sich unter die Dusche, wusch das Gesicht mehrere Male mit Seife ab.
Sie drückte den Duschkopf gegen ihr Geschlecht. Es fühlte sich nicht unangenehm an. Sie versuchte mit dem Zeigefinger an sich herumzuspielen, fühlte aber gar nichts dabei. Sie hatte ein paar Mal Sex and the City gesehen und mitbekommen, dass man bestimmte Sachen mit sich selbst machen konnte. Aber bei ihr funktionierte es nicht. Vielleicht machte sie es auch falsch.
Sie ging in die Hocke und stützte den Kopf in die Hände, während das Wasser auf ihren Rücken fiel. Sie versuchte zu weinen. Es reichte nur zu einem trockenen Schluchzen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie bemitleidenswert sie aussah, und hatte es beinahe geschafft, als sie genug davon bekam und das Thermostat auf eiskalt drehte. Sie ließ das kalte Wasser über sich hinwegrinnen, bis das Gesicht starr war und sie überall Gänsehaut bekommen hatte. Sie stellte die Dusche aus, trocknete sich ab und zog sich an.
Als sie aus dem Badezimmer kam, war das Haus immer noch genauso still, aber ihr mittlerweile abgekühlter Körper fühlte sich in der Stille wie ein Kristall an, ein Ort der Klarheit inmitten des Stillstands und der Verworrenheit. Sie ging ins Wohnzimmer und setzte sich an den Computer, rief Google auf und schrieb das Wort »Gedichte«.
Das Ergebnis erstaunte sie. Es war nur eine Eingebung gewesen, die daraus geboren war, dass sie sich so klar im Kopf gefühlt hatte. Dass sie Gedichte lesen wollte. Aber die ersten Treffer waren Seiten, auf denen Menschen, die keine Dichter waren, ihre Gedichte einstellen konnten. Sie öffnete eine Seite mit der Adresse poesi.nu.
Sie las ein Gedicht, und dann noch eins. Sie stieß auf ein Mädchen namens Andrea, fünfzehn Jahre alt, deren Gedichte sie sehr mochte, und sie suchte nach ihrem Namen, fand noch mehr ihrer Werke. Sie hießen »Einsamkeit«, »Gibt es nur mich?« oder »Schwarzer Engel«.
Teresa verschlang sie mit wachsendem Erstaunen. Sie hätte diese Gedichte schreiben können. Sie handelten von ihr. Andrea war ein paar Jahre älter als sie und wohnte in Västerås, aber trotzdem war es fast genau das Gleiche. Sie klickte weiter und fand Malin, sechzehn Jahre, aus Stockholm, die in ihrem Gedicht »Die Blase« beschrieb, wie sie in einer Seifenblase wohnte, deren Wände unzerstörbar waren.
Exakt so war es. Teresa fühlte sich genauso, hatte aber die Worte dafür nicht gefunden. Niemand anders konnte diese Blase sehen, aber sie war die ganze Zeit darin eingesperrt. Malin hatte es in Worte gießen können.
Teresa scrollte nach unten und sah, dass einige das Gedicht kommentiert hatten, es schön und gut geschrieben fanden und sich in der gleichen Situation befanden. Ein Beben lief durch Teresas Körper, als ob sie Fieber bekommen hätte. Sie klickte auf das Feld »Gedicht kommentieren«, woraufhin sie aufgefordert wurde, sich einzuloggen.
Sie stand vom Computer auf und ging eine Runde durch das Wohnzimmer, lief weiter in Görans und Marias Schlafzimmer, wo sie sich auf das Bett legte und an die Decke starrte. Dann kroch sie unter die Bettdecke und rollte sich zusammen, winselte wie ein Hundewelpe.
Ich bin zu klein.
Fast alle, die auf poesi.nu schrieben, waren Mädchen. Die Jüngste, die sie gefunden hatte, war Matilda, vierzehn Jahre alt. Teresa fand ihr Gedicht »Die Tränen« kindisch. Sie selbst war zwölf Jahre alt, bald dreizehn. Sie warf sich im Bett hin und her, bis sie zu schwitzen begann und sich langsam abregte. Diese ganzen anderen Mädchen, die älter waren als sie, aber sich genauso fühlten, wo steckten sie alle? Wie sahen sie aus?
Sie stieg aus dem Bett, und eine Unruhe, die sie nicht richtig greifen konnte, trieb sie im Haus herum. Als sie im Badezimmer landete, nahm sie das Haarspray wieder mit. Die Streichhölzer lagen immer noch auf dem Küchentisch. Fünf Fliegen waren seit dem letzten Mal noch dazugekommen. Sie brachte alle in einer großen, kreisenden Spraybewegung zu Boden. Sie schaute zu, wie sie auf dem Fensterbrett herumkrochen.
Im Nähkästchen ihrer Mutter fand sie eine Dose mit Stecknadeln. Sie nagelte die Fliegen an das Fensterbrett, eine nach der anderen. Sie lebten weiter, zappelten mit ihren kleinen Beinen. Das Schamgefühl in ihrem Bauch wurde größer, bis sie es fast sehen, nahezu anfassen konnte. Eine klebrige, orange Qualle, die direkt unter ihren Rippen
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