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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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alltäglichen Trott sonst niemals geschah.
    Bei Idol sah Teresa Tora zum ersten Mal. Tora Larsson aus Stockholm. Schon ihr erstes Casting war eine ungewöhnliche Geschichte. Jungen und Mädchen konnten hereinkommen und singen wie kaputte Schleifmaschinen und sich am Ende über die Juroren aufregen, weil sie nicht weitergekommen waren. Oder sie sangen gut und jubelten, wenn sie erfuhren, dass sie die Prüfung bestanden hatten.
    Tora war anders. Klein und dünn und mit langen, blonden Haaren kam sie ins Studio und richtete ihre großen, blauen Augen auf einen Punkt knapp über den Köpfen der Juroren. Sie sagte: »Ich heiße Tora Larsson, ich werde singen.«
    Die Juroren lachten herablassend, und einer von ihnen sagte: »Und, willst du etwas Spezielles für uns singen?«
    Tora schüttelte den Kopf, und die Juroren zogen Mienen, als würden sie ein kleines Kind bemitleiden. »Also, wie heißt das Lied, das du singen wirst?«
    »Ich weiß nicht.«
    Die Juroren schauten einander an und schienen kurz davor, jemanden zu bitten, das Mädchen von der Bühne zu holen. Da begann sie zu singen. Teresa kam das Lied bekannt vor, aber sie konnte es nicht einordnen.

    Tausend und eine Nacht lag ich allein, müde und träumend
    Einmal mein Schicksal vereinen, mit einem Freund
    Einem Freund wie du …
    Es war eigentlich die Regel, dass hoffnungsvolle Jugendliche sich ein Lied aussuchten, das gerade angesagt war, und darauf setzten, dass ein Teil der Aura, die den ursprünglichen Interpreten umgab, auf sie abstrahlen würde. Aber nicht Tora. Wenn Teresa sich nicht irrte, handelte es sich hier um ein Lied, dessen Haltbarkeitsdatum vor langer Zeit schon abgelaufen war.
    Aber die Stimme, die Stimme. Teresa saß wie versteinert auf dem Sofa, und ihr war, als würde diese Stimme direkt in ihr Herz eindringen. Tora Larsson machte kein Aufhebens umsich, versuchte nicht irgendetwas darzustellen . Sie sang einfach, und es berührte Teresa, ohne dass sie wusste, warum. Sogar die Juroren sahen während der guten Minute, die sie sang, wie Weihnachtskerzen aus. Dann verstummte ihre Stimme, und sie kamen wieder zur Besinnung und warfen sich Blicke zu.
    »Du bist weiter«, sagte einer von ihnen. »Du hast ja eine Stimme wie … ich weiß nicht was. Wenn gewisse Künstler morden würden, um sie zu bekommen, dann hätten wir hier jetzt ein Schlachtfeld. Du bist weiter. Keine Frage. Aber du musst daran arbeiten, das Publikum mit einzubeziehen.«
    Tora nickte kurz und ging zur Tür. Nicht das geringste Zeichen von Freude oder ein Wort des Dankes. Sie schaute den Juroren nicht einmal in die Augen. Einer von ihnen hatte trotzdem das Bedürfnis, seine Existenz zu rechtfertigen, und rief ihr hinterher, bevor sie die Tür geöffnet hatte: »Und beim nächsten Mal such dir ein Lied aus, das deinem Talent besser entspricht. Ein schwierigeres Lied.«
    Tora drehte sich halb um, und Teresa nahm kurz einen ganz fremdartigen Ausdruck in ihrem Gesicht wahr. Die Andeutung einer Grimasse, als hätte Tora gerade einen Schlag in den Rücken bekommen und wollte gleich die Klauen ausfahren. Sie drehte sich wieder um und ging hinaus.
    Die Familie auf dem Sofa begann dafür oder dagegen zu argumentieren, und obwohl sich alle darauf einigen konnten, dass sie eine fantastische Stimme hatte, so war ihr Auftritt doch alles andere als blabla, blabla. Teresa hörte nicht zu und diskutierte nicht mit. Tora hatte den krassesten aller Castingauftritte hingelegt, den sie jemals bei Idol gesehen hatte, weil ihr alles scheißegal zu sein schien, obwohl sie ganz offensichtlich die Beste war. So musste man es machen. Teresa hatte ihren Sieger schon auserkoren.
    Auf dem Weg nach oben in ihr Zimmer summte sie:

    Einmal mein Schicksal vereinen, mit einem Freund
    Einem Freund wie du …

DAS MAEDCHEN MIT DEN
GOLDENEN HAAREN
    Die Hand nahe dem Fisch ist mein
    Der Fisch nahe der Hand ist sein
    Der Stein in meinem Mund ist mein
    Wer in mir ist ist mein
    Mia Ajvide, Lyllos

1
    Als Jerry auf sein Leben zurückblickte, konnte er deutlich bestimmte Punkte ausmachen, an denen es seine Richtung geändert hatte, jedes Mal zum Schlechteren. Die radikalste Kursänderung trat an jenem Nachmittag im Oktober 2005 ein, an dem er seine massakrierten Eltern auf dem Kellerfußboden gefunden hatte. Es war noch unklar, inwieweit die daraus resultierende Veränderung eine Verbesserung oder Verschlechterung darstellte.
    Er hatte eine lange Zeit auf der Treppe gesessen und die Situation überdacht. Theres fuhr fort,

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