Wolfskrieger: Roman (German Edition)
niemand hierherreisen.«
»Bist du ein Seher?«, wollte Bragi wissen.
»Wohl kaum«, erwiderte Veles. »Ich habe ihn einfach gefragt, als er hier vorbeigekommen ist.«
»In welche Richtung?«
Veles sah Vali scharf an.
»Komm schon, Mann. Die Frage ist doch nicht so schwer zu beantworten. Waren sie auf dem Weg zum Überfall oder auf dem Rückweg?«
»Auf dem Hinweg«, sagte Veles. »Sie haben wohl etwas, das dir wichtig ist? Einen Gefangenen?«
»Magier!«, knurrte Feileg.
»Meine Fähigkeiten sind viel einfacher zu erklären«, antwortete Veles. »Ich erkenne Verlangen, wenn ich es sehe. Es gibt einen Überfall auf Rogaland, worauf der geschätzte Prinz ausgeschickt wird, um etwas zurückzuholen, das in ein so kleines Boot passt. Eine sehr kluge Art zu reisen. In diesen Gewässern braucht man heutzutage fünf Drakkare oder gar keinen. Glaubt mir, die Piraten haben mich fast vernichtet, sie rauben mir noch die letzte Münze, die allerletzte! « Er schien kurz davor, die Fassung zu verlieren, doch dann nahm er sich zusammen. »Also ein einzelner Gefangener. Mir fällt keine andere Beute ein, bei der man die Diplomatie braucht, um sie zurückzuholen. Wäre es Gold, dann wärt ihr mit einer Kriegsbemalung um die Augen gekommen, aber nicht mit diesen feinen Linien, die einer Dame wohl gefallen würden.« Er deutete auf die schwarzen Striche, die Bragi und Vali sich gegenseitig aufgetragen hatten.
»Wo ist das Mädchen?«, fragte Feileg.
Veles lächelte breit.
»Ich habe sie nicht, aber wenn sie gefunden werden kann, dann finde ich sie«, versprach er. »Ein Mädchen also, zweifellos eine Prinzessin. Wurde die kleine Ragna entführt? Ich werde helfen, sie zu finden, und erwarte keine Bezahlung; deine Dankbarkeit und das Geschenk, das dein großzügiges Volk mir zukommen lässt, sollen mir ausreichen.«
»Es ist nicht Ragna, aber die Gefangene ist dem König trotzdem lieb und teuer. Kein Geschenk würde ausreichen, um dir für ihre Rückkehr zu danken«, erklärte Vali.
»Nun, dann lass uns später über die genauen Summen reden. Nein, ich scherze natürlich. Aber bitte, kommt doch mit in mein Haus und seid meine Gäste. Außerdem müsst ihr bei König Hemming vorsprechen. Wir sollten damit beginnen, dass ihr eine Entschädigung für den Überfall und für die Entführung des Mädchens verlangt. Ich bin sicher, dass er dies nicht gutgeheißen hat, mein Prinz. Er will ja nicht den Zorn deines Vaters auf sich ziehen. Ich kümmere mich um alles – die Summe, in welcher Weise sie bezahlt wird, die Übereinkunft, den Austausch. Die Einzelheiten eines Handels sind der Aufmerksamkeit eines Prinzen nicht würdig. So sehen es jedenfalls die Franken, und ihr Reich scheint damit aufzublühen. Ihr müsst nur noch nach Rogaland zurückkehren und auf den glücklichen Ausgang warten.«
Valis Herz machte einen Freudensprung. Wenn überhaupt jemand Adisla wiederfinden konnte, dann war es Veles.
28
Abmachungen
V on See war Haithabu wie ein Wunder erschienen, und aus der Nähe änderte sich der Eindruck nicht. Man hatte Baumstämme gespalten und auf den Boden gelegt, damit ein fester Weg entstand. Die Häuser waren so dicht nebeneinander gebaut, dass die Strohdächer sich stellenweise fast berührten und den Blick zum Himmel verdeckten. Alle Höfe waren eingezäunt, einige hatten sogar eigene Brunnen. Am Wasser tummelten sich Menschen, und selbst in den Gassen, die von den Anlegestellen wegführten, konnte man kaum zwanzig Schritte gehen, ohne jemandem zu begegnen, der in die andere Richtung wollte. Trotzdem war der Ort schmutzig. Überall lagen Abfallhaufen herum, und stellenweise war der hölzerne Weg rutschig von Kot.
Es konnte doch nicht so schwer sein, den Unrat zum Wasser zu schaffen und wegzuwerfen, dachte Vali. Haithabu stank, und er fragte sich, wie die Leute in diesem Mief leben konnten.
»Dänen«, meinte Bragi. »Die halten nicht viel von Waschen und Putzen.«
»Sie sind dreckige Leute«, stimmte Veles zu. »Das sagen jedenfalls ihre Feinde. Ich dagegen habe immer festgestellt, dass sie makellos sauber sind. Diese Ansicht ist einem langen, glücklichen Leben sehr zuträglich. Hier entlang, bitte.«
Sie gingen durch die Stadt und überquerten auf einer Brücke einen kleinen Wasserlauf, der zur Anlegestelle führte. Auch darüber staunte Vali, denn der Bach lief pfeilgerade durch einen gegrabenen Kanal. War dieser stinkende, wimmelnde Ort ein Ausblick auf die Zukunft?
Auf einem Platz, der nicht weit vom
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