Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Kanal entfernt war, sah er dann den Markt. Ringsherum standen offene Scheunen, in denen Vieh auf Käufer wartete. Ein Gebäude war kleiner als die anderen. Gedrungen kauerte es dicht über dem Boden wie ein normales Langhaus, doch es hatte keine Wände, das Dach war niedrig, und das Innere lag im Dunkeln. Als Vali sich näherte, erkannte er einige zerlumpte Gestalten, die im Schatten kauerten. Er beschleunigte seine Schritte, duckte sich, trat ein und spähte hinein. Bleiche Gesichter starrten ihn an, einige waren vor Hunger ausgemergelt, andere feist und gesund. Alle waren mit Ketten aneinandergefesselt. Der Gestank war überwältigend.
Sein Blick wanderte von einem Gesicht zum nächsten. Zwei Mönche waren darunter, die er inzwischen als das erkannte, was sie waren, eine Mutter mit zwei Kindern, die sich aneinanderklammerten, ein großer Mann, offenbar ein Schwede, der aufrecht und trotzig dasaß, und ganz hinten ein etwa siebzehnjähriges blondes und hübsches Mädchen, das stumpf ins Leere starrte. Es war aber nicht Adisla, das Mädchen sah ihr überhaupt nicht ähnlich.
»Wonach suchst du, Herr? Der Markt öffnet erst in zwei Wochen, aber wenn du den richtigen Preis bietest, gehört die Ware dir. Oder hast du Sklaven zu verkaufen? Wenn sie gut sind, nehme ich sie.«
Vali drehte sich zu dem mit einem teuren dunklen Mantel bekleideten Mann um. Dieser hielt eine lange Haselnussgerte in der Hand. Neben ihm stand eine rothaarige Frau, die Vali für eine freigelassene Sklavin hielt, denn sie sah nicht so aus, als käme sie aus Dänemark. Sie hielt einen Schlüsselbund hoch.
»Ich suche eine Frau, die möglicherweise hierhergekommen ist, nachdem sie bei einem Überfall in Rogaland verschleppt wurde«, erklärte Vali.
»Die Rygir-Mädchen sind kalt«, erwiderte der Mann. »Hier, versuch mal die dort hinten. Sie wird deine Bettstatt in Brand stecken, falls du einen Monat Gemurre ertragen kannst, während sie sich an dich gewöhnt.«
Das Mädchen blickte ihn aus der Dunkelheit an. Hoffnung war nicht in ihren Augen zu entdecken, auch sonst kein bestimmtes Gefühl.
»Ich will das Rygir-Mädchen«, beharrte Vali.
»Die da ist von den westlichen Inseln, das ist schon ziemlich nahe an Rygir«, entgegnete der Händler.
»Dann waren Haariks Männer noch nicht hier, um Sklaven zu verkaufen?«, fragte Vali.
»Die sind schon vor einem Monat aufgebrochen«, bestätigte der Sklaventreiber. »Seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört. He, du armer Schlucker, geh da weg.«
Vali drehte sich um. Feileg untersuchte gerade die Eisenketten eines Kindes. Als der Sklavenhändler mit erhobener Gerte zu ihm eilte, drehte sich der Wolfsmann um und stieß ein tiefes, wütendes Knurren aus. Es war ein ungezügelter Ausdruck jener Feindseligkeit, die manche Tiere schon seit Anbeginn aller Zeiten den Menschen entgegenbringen. Es war der Laut, den Wolf und Bär im Angesicht ihrer Beute ausstoßen. Ein Laut, der den Instinkt und nicht den Geist anspricht, und in ein einziges Wort gekleidet werden kann: »Lauf.«
Vali spürte die Angst des Sklavenhändlers wie die Hitze, die einem aus der Tür einer Schmiede entgegenschlägt. Der Sklavenhändler ließ die Gerte fallen, wich vor Feileg zurück und fiel auf einen kleinen Haufen Stroh. Der Wolfsmann trat vor und baute sich vor ihm auf. Dann bemerkte Vali das Messer. Der Sklavenhändler war ein harter Mann und hatte sich noch im Fallen von dem Schrecken über Feilegs Wutausbruch erholt. Er zog eine Klinge aus dem Gürtel und stieß im Aufstehen nach Feilegs Bauch. Es gab ein Geräusch, als würde ein Ast zerbrechen, gleich darauf noch einmal, und schließlich hörte Vali einen Plumps. Es geschah viel zu schnell, um es mit bloßem Auge zu verfolgen. Erst einen ganzen Atemzug, nachdem der Sklaventreiber zum zweiten Mal auf das Stroh gefallen war, begriff Vali endlich, was sich ereignet hatte. Feileg hatte dem Sklaventreiber den Arm gebrochen, ihm das Kniegelenk verrenkt und ihn auf den Boden geworfen. Mit einem Schmatzen landete der Kopf des Mannes im Dreck.
Der Wolfsmann stürzte sich mit gebleckten Zähnen auf seinen Gegner. Vali wusste, was jetzt geschehen würde, und sprang vor, um Feileg zurückzuhalten. Es war eine Sache, in die Stadt zu kommen und im Handumdrehen einen Streit anzufangen – das konnte sogar für den Ruf ganz nützlich sein. Es ging aber ein wenig zu weit, jemanden mit bloßen Zähnen zu töten. Vali rempelte ihn an, so fest er konnte, doch der Wolfsmann drehte sich
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