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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
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der wie die meisten alten Männer nur die Teile einer Unterhaltung hörte, die ihn selbst betrafen. »Früher habe ich einen Speer so weit geworfen, wie die Dorfstraße lang ist, und er blieb ordentlich in der Erde stecken.«
    »Keine Sorge, gute Frau«, sagte der Mann zu der Bäuerin, »dich werde ich verspotten, wenn ich mit deinem Mann fertig bin. Aber – oh, ob ich wohl jemals mit dem da zu einem Ende komme? Nein, gute Frau, du bist sicher, mit ihm werde ich niemals fertig.«
    »Was ist mit dem Wolf?« Der Bauer war ein wenig durcheinander, seit der Fremde aufgetaucht war, obwohl er nicht viel getrunken hatte.
    »Ich habe den nächtlichen Besucher getötet, den freien Geist der Wälder, den bepelzten Herrn, o du Landmann, mein Mistwühler, mein schäbiger Sämann, mein Kotklauber. Leider hat er mir die Kleider zerrissen«, erklärte der Mann. »Willst du mir ein paar von deinen borgen, damit ich die Pracht bedecke, welche die Priester unsere Scham nennen?« Er machte Anstalten, das Wolfsfell abzustreifen, hielt aber im letzten Augenblick inne.
    »Wenn du den Wolf getötet hast, was du allem Anschein nach getan hast, dann bin ich dir einen Rock schuldig«, willigte der alte Mann ein. »Im Haus habe ich einen, der mir viele Winter lang gedient hat.«
    »Ich ziehe den teuren vor, den du gerade trägst«, entgegnete der Besucher. »Er wurde von der schönsten Hand gewoben, die je einen Spinnrocken gehalten hat.«
    »Ich habe ihn gewoben«, erklärte Saitada.
    »Das weiß ich, meine Dame.« Der Mann verneigte sich tief.
    »Sie ist keine Dame, sie ist eine Sklavin«, wandte der Bauer ein.
    »Sie ist freier, als du es je sein wirst«, widersprach der Fremde. »Nun gib mir deinen Mantel, bevor ich dir die Haut vom Leib reiße und mich damit bedecke.«
    Die Worte des Fremden brannten sich in den Kopf des Bauern ein, bis er sich fühlte, als briete er nach seinen Prahlereien, seinen Verstellungen und mit seinen Schwächen im eignen Saft. Er tat wie ihm geheißen. Der bleiche Kerl reichte Saitada die Hand, und es schien ihr, als tanzten winzige Lichtfünkchen um sie herum, kleine silberne Kugeln, nicht größer als Samenkörner, die in einem schimmernden Spinnenetz glitzerten. Er legte den Rock an, den sie gemacht hatte, zog ihn eng um sich und sang.
    Halbmondschön ist sie in ihrer Pracht,
Gebären wird sie einst den Mondergreifer.
Oh die Sonn’ verdunkelt sich zur Mittagsnacht –
Wach ist der Wolf in seines Traumes Eifer.
    Die letzte Zeile schien den Kerl unendlich zu belustigen. Er kicherte haltlos, und Saitada stimmte ein, als wäre sie ein Kind, das gerade ein schmutziges kleines Geheimnis erfahren hat. Das Kichern wurde lauter und wuchs in ihr heran, bis sie dachte, es würde nie mehr aufhören.
    Aber dann hörte es auf, und die Nacht war still. Alles hatte sich unwiderruflich verändert. Es schien Saitada, als stünde sie mitten auf einer Lichtung, die ins Licht eines brennenden Mondes getaucht war.
    »Sieh doch, wie schön das Gewand ist, das du gemacht hast«, sagte der Mann.
    Er stand vor ihr, doch der Mantel war nicht ihrer, sondern ein Gewand aus Federn, das wohl nicht einmal aus Federn bestand, sondern aus silbrigen Flammen oder gar nur aus Lichtpunkten. Es hüllte ihn ein und schien ihn zu erheben, bis er so hoch wie ein Schemel über dem Boden schwebte. Der Bauer und seine Frau waren nirgends zu sehen.
    »Dich hat noch nie jemand geliebt«, sagte der Wanderer.
    »Herr, das ist wahr«, erwiderte sie.
    »Und bis zu diesem Augenblick hast du nicht gewusst, dass du geliebt werden kannst.«
    »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Ich kann nur eine von deiner Art lieben«, sagte er. »Wer könnte die Prinzen und Helden lieben, die morden und Krieg führen?«
    »Ich kenne weder Prinzen noch Helden, Herr.«
    »Wart’s nur ab«, sagte er. »Du wirst ihrer überdrüssig sein, ehe du dich’s versiehst.« Er lächelte sie an. »Du, meine Liebe, bist vollkommen.«
    »Mein Gesicht ist es nicht, Herr.«
    »Du hast dich für die Unvollkommenheit entschieden – was könnte vollkommener sein? Du hast erkannt, dass dein Makel die Vollkommenheit war, und dem hast du abgeholfen, dir einen Makel zugefügt und dich damit vollkommen gemacht. Die Folgerung ist unwiderlegbar.«
    Er kam auf die Erde herab, und der Rock, den er getragen hatte, verwandelte sich in einen Teppich aus weißen Federn, die den Boden der Lichtung bedeckten, tief wie der Schnee im Mittwinter. Sie legte sich darauf, und da sie nur Stroh kannte, war sie von

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