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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
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tiefe Angst verspürt, die fremde Frau könne eine Verwandte sein. Vielleicht tat sie ihm auch einfach leid.
    Er blickte nach Norden zu den Gipfeln mit den weißen Kappen, wo er Gullveig treffen würde, die Hexenkönigin der Berge, das verrückte Kind. Sie war höchstens zehn Jahre alt gewesen, als er ihr im vergangenen Sommer zum ersten Mal begegnet war. Authun kannte die Geschichten, die man sich über sie erzählte. Als die alte Hexenkönigin im Sterben gelegen hatte, war sie Gullveigs Vater erschienen, einem Krieger am Hof von König Halfdan dem Gerechten, und hatte ihm aufgetragen, seine schwangere Frau zur Trollwand zu bringen. Dort sollte sie ihr Kind gebären. Er war klug genug, sich nicht zu widersetzen, hatte das neugeborene Mädchen ausgeliefert und sich für das Glück bedankt, das dieses Opfer der Familie schenken würde. Gullveig hatte ein Jahrzehnt in den dunklen Höhlen verbracht und die Magie aufgesogen, wie die Kinder eines Fischers das Salz mit dem Seewind einatmen.
    Authun betrachtete die Mutter, die ihre Zwillinge wiegte. Nein, er konnte sie nicht töten. Er würde sie den Hexen überlassen, dachte er. Der auserwählte Knabe würde die Reise von der Trollwand bis zu seiner Frau ohne Nahrung überleben. Das Mädchen konnte nicht einmal Authuns Sprache sprechen und würde nicht verstehen, was mit ihren Kindern geschah. Welchen Schaden konnte sie schon anrichten, wenn sie den Hexen diente? Fliehen konnte sie sowieso nicht. Ohne Führer fand niemand aus den Höhlen heraus. Auf diese Weise konnte Authun der Erbarmungslose, der Brandschatzer von fünf Städten, einer verunstalteten Sklavin das Leben schenken, das er nicht einmal seinen Brüdern zugestanden hatte. Damit aber besiegelte er sein eigenes Schicksal.
    Als sie an Land kamen, traten sie in ein sommerliches Tal, das vor Fruchtbarkeit summte, doch Authun konnte sich nicht über die Szene freuen. Sein ganzes Leben lang hatte er immer nur das getan, was notwendig gewesen war, ohne weiter darüber nachzudenken. Er war erbarmungslos, wenngleich immer nur dort, wo es einem Zweck diente. Je übler er seinen Feinden mitspielte, desto leichter konnte er allen anderen Tribute abpressen, ohne auch nur einen Speer zu erheben. Doch während das seltsame Auge der Frau ihn unablässig beobachtete, wohin er auch ging, konnte er das Bild Varrins nicht abschütteln, der in den Tod gegangen war und zuletzt von seiner Frau gesprochen hatte. Authun nahm sich vor, der Witwe die Botschaft umgehend zu übermitteln, sobald er seiner Frau das Kind gegeben hatte.
    Von der Küste verlief ein Fluss zur Trollwand. Authun wäre gern hinaufgesegelt, doch ohne Besatzung war dies nicht möglich. Außerdem hatten die Hexen viele Felsen herabfallen lassen, um das Gewässer sogar für ein voll bemanntes Schiff unbefahrbar zu machen. Also mussten sie laufen.
    Authun ließ die Frau vor sich gehen, damit er sie im Auge behalten konnte. Ihre Haare hingen lose herab. Das Kopftuch, das die Mönche ihr gegeben hatten, lag längst in der Nordsee. In der schäbigen Nonnenkluft aus fünfter Hand und dem überlangen Mantel, der früher Hella gehört hatte, wirkte sie wie eine Bettlerin. Mit dem salzverkrusteten Umhang und den Seepelzen sah der König nicht viel besser aus. Das Mondschwert hatte Authun sich auf den Rücken geschnallt, wo man es nicht sofort sehen konnte. Die Hügel waren voller Trolle und Räuber, und er wollte niemandem zeigen, wie reich er war.
    Auf der Wanderung vom Meer ins Landesinnere trafen sie auf keine übernatürlichen Gegner, erblickten aber in der Ferne drei Reiter, die sich ihnen näherten. Das Mädchen sah sich nach Deckung um, was Authun für sehr vernünftig hielt, wenn man bedachte, dass sie eine Frau war. Der König selbst blieb jedoch stehen, wo er war. Die Männer saßen ab und kamen zu ihm, was Authun als sicheres Anzeichen gewalttätiger Absichten einschätzte.
    Wenn man einen Krieger wie Authun den Wolf angreifen will, ist es am besten, ihn zu verfolgen und ihm im Schlaf die Kehle durchzuschneiden. Ihn aus der Ferne herauszufordern und sich mit den Worten »Ja, was haben wir denn da?« zu nähern, ist keine gute Idee. Trotzdem hätte Authun, der sich in einer eigenartigen melancholischen Stimmung befand, die drei ziehen lassen, hätte der Erste nicht versucht, ihn an der Schulter zu schütteln. Authun packte den Mann an der Hand, damit dieser nicht ausweichen konnte, trat einen Schritt zurück, um Platz zu haben, nahm mit derselben Bewegung das

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