Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
Vom Netzwerk:
den Spektiven.
    Als alle wieder abfuhren, schämte ich mich meiner Vorurteile und übte mich einmal mehr in Demut.
    Ich gebe es zu – manchmal gehe ich zu hart mit Touristen ins Gericht. Den »perfekten« Touristen gibt es nicht. Ich habe unrealistische Ansprüche und arbeite immer wieder aufs Neue daran, im Umgang mit ihnen gelassener zu werden.
    Nur wenn ich sehe, wie Menschen die Wölfe mit dem Auto verfolgen und daran hindern, die Straße zu überqueren, dann fällt es mir schwer, ruhig zu bleiben.
    Jeder, der eine Zeitlang mit Touristen zu tun hat, wird irgendwann Stereotypen entwickeln. Aber auch die Parkbesucher kommen mit viel zu großen Erwartungen. Sie sind konditioniert durch alles, was sie bisher über Yellowstone gehört und gelesen haben – von Fernsehberichten, Reiseprospekten, Kindheitserinnerungen. Sie erwarten grandiose Dinge, je phantastischer, desto besser. Schließlich haben sie ja Bären und Wölfe vor der Linse mit bezahlt.
    Wir Guides leiden schweigend und hoffen, dass wir ihnen vielleicht eines Tages doch noch das »wahre« Yellowstone zeigen können – was immer das auch ist.
    Einer der Gründe, warum wir uns vor der Reise treffen, ist auch, unrealistische Erwartungen auf beiden Seiten abzubauen. Wir lernen uns kennen und haben schon während der langen Wartezeit bis zum Abflug ständigen Kontakt miteinander. Selbst Hausaufgaben gibt es. Die Teilnehmer sollen üben, Tiere und Örtlichkeiten zu beschreiben. Schließlich müssen sie ja in Yellowstone alle mitarbeiten und berichten, was sie wo sehen.
    Dass das gar nicht so einfach ist, zeigte sich, als wir in der Parkbucht von Dorothys im Lamar Valley standen und konzentriert nach den Agate-Wölfen suchten, die hier irgendwo sein sollten.
    Sabine: »Was war das da für ein Tier?«
    |204| »Wie? Wo?«
    »Na das da … mit den Ohren!«
    »Wo genau hast du was gesehen?«
    »Na da … da! Bei dem Baum da …« Sabine zeigte auf einen Berghang voller Bäume.
    Rolf kannte das schon von vorherigen Touren. Er sprang ein.
    »Nun sag mal genau, wie viel Uhr?«
    »???«
    »Also wenn dieser große Baum auf der Ebene vor dir zwölf Uhr ist, auf wie viel Uhr war das Tier?«
    »Halb drei!«
    Wir hatten viel Spaß mit solchen Beschreibungen.
     
    Wenn ich mit dem Spektiv an der Straße stehe und nach Wölfen suche, werde ich oft von Touristen angesprochen. So hielt ein Mann mit dem Auto an und kam aufgeregt auf mich zu.
    »Ich habe da vorn einen Wolf gesehen.«
    Ich weiß, wie leicht man Wölfe mit Kojoten verwechseln kann, und stelle darum zunächst einmal stets die gleichen Fragen:
    »Ein Wolf? Sicher? Haben Sie schon mal einen Kojoten gesehen?«
    »Ja, aber das war es nicht. Es war ein Wolf!«
    »Welche Farbe hatte das Tier?«
    »Schwarz.«
    Klang gut. Jetzt hatte er mich.
    Dann kam seine Frau dazu.
    »Nein. Er war heller, irgendwie graubraun.«
    »Hm. So genau hab ich ihn nicht gesehen. Ich musste ja fahren.«
    Also doch ein Kojote. Enttäuscht zogen alle von dannen. Und wieder einmal war der Heilige Gral von Yellowstones Wildtiersichtungen – ein Wolf – nicht dabei gewesen.
    Ein anderes Mal hielt ein großer Pickup mit vier jungen Leuten. Sie schalteten weder den Motor aus, noch reduzierten |205| sie die Lautstärke ihrer Stereoanlage, als sie das Fenster herunterließen und der Fahrer laut zu mir herüber rief:
    »Gibt’s hier irgendwas zu sehen?«
    Ich trat an das Auto heran und zeigte ins Tal: »Wölfe!«
    Die beiden Mädels ließen sich beim Schminken nicht stören, während der Fahrer immer noch versuchte, die Stereoanlage zu überschreien.
    »Wölfe? Wo?«
    Ich gestikulierte in die entsprechende Richtung. Der Fahrer warf einen kurzen Blick ins Tal.
    »Sooo weit? Nee, Kinder, hier is nix. Lasst uns fahren.« Übrig blieb nur noch der dumpfe Klang der Stereoboxen, als das Auto davonsauste.
     
    Ob langjährige Wolfsbeobachter oder »Ersttäter« – wir alle sind hier, weil wir den Wunsch haben, einen wilden Wolf zu sehen. Haben wir dann das Glück, vergessen wir manchmal alle Regeln, die wir einhalten wollten – so wie Jutta bei der Wolfsreise im Winter 2004.
    Die 43-jährige Angestellte arbeitete mit ihrem Schäferhund bei einer Rettungshundestaffel und war von Wölfen begeistert. Schweren Herzens ließ sie ihren Hund in der Obhut ihrer Eltern, um diese Wolfsreise mitzumachen. Stets rücksichtsvoll und darauf bedacht, nur ja niemanden zu stören – egal ob Mensch oder Tier –, war sie ein Vorbild für alle und mein ganzer Stolz. Dann kam

Weitere Kostenlose Bücher