Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss
„Wie wollen Sie das wissen?“
„Ich weiß es einfach.“
Meinetwegen. Ich wollte hier weg. Ich hasste es, mir das eingestehen zu müssen, aber ich hatte mich wirklich und wahrhaftig geängstigt. Vögel hörten nicht ohne Grund auf zu zwitschern. Und ich hatte nicht das Gefühl, beobachtet zu werden, wenn es nicht der Fall war.
„Fertig?“, fragte ich.
„Unbedingt.“
Wir marschierten zurück zum Auto, und falls wir schneller gingenalsaufdemHerweg,dannwareshaltso.Ichängstigtemichnichtoft,aberwennichesdochtat,dannmachteesmirecht zu schaffen.
„Sie können die Pistole wegstecken, Officer.“
Ich sah nach unten, überrascht, dass ich sie immer noch in der Hand hielt. Ich war ebenso überrascht, dass ich überhaupt keine Lust verspürte, sie wegzustecken.
„Wo ist Ihr Gewehr?“, fragte ich.
„Geladen und verschlossen im Eagle’s Nest.“
Also wohnte Mandenauer im Eagle’s Nest Resort und Spa, wobei Spa in Miniwa ein relativer Begriff war. Es bedeutete, dass am Seeufer Handtücher zur Verfügung gestellt wurden und es eine antiquierte Sauna gab, die sich von ihrem Sitz auf einem nahe gelegenen Hügel aus trunken gen Wasser neigte.
„Im Koffer unter Ihrem Bett bringt Ihnen eine Schusswaffe nicht viel.“ Oder versteckt unter seinem Hemd, was das Thema anging.
Mandenauer legte eine Hand auf meine Schulter, und ich hielt inne.
„Der Wolf wird uns nicht am helllichten Tag attackieren.“
„Warum nicht?“
Er lächelte, als wäre ich ein bisschen zurückgeblieben. „Er wird es nicht. Vertrauen Sie mir.“
Ich schnaubte. Ich vertraute niemande m – außer Zee, und manchmal Clyde. Ich hatte auf die harte Tour gelernt, dass die Menschen, denen man am meisten vertraute, gleichzeitig diejenigen waren, die einen am tiefsten verletzen konnten. Deshalb war mein Kreis von Vertrauten sehr überschaubar.
„Sie vertrauen mir nicht?“
Ich bedachte ihn mit meinem Halten-Sie-mich-eigentlich-für-blöd-Blick, und er nickte. „Gut. Vertrauen Sie niemandem, Jessie. So bleiben Sie länger am Leben.“
Mandenauer und ich stimmten in weit mehr Punkten überein, als ich mir hätte träumen lassen.
Ich umfasste die Waffe in meinen Fingern fester und fühlte michgetröstet.AndereFrauenmochtenRelikteihrerKindhei t – Puppen,Plüschtiere,Decke n – herauskramen,wenneshartaufhartkam.IchzogunterallenUmständeneine44erMagnumvor.
Es war mir egal, wie viele Wölfe Mandenauer getötet hatte oder wie viele Male diese Tiere sich auf vorhersehbare Weise verhalten hatten. Ich würde weder mein Leben noch seins darauf verwetten, dass dieser ein e – oder diese zwanzi g – sich angemessen benehmen würde.
Ich erinnerte mich an Karen Larsons Augen. Ich würde mich noch jahrelang in meinen Träumen an sie erinnern. Einen Moment vor ihrem Tod war etwas Wissendes in ihren Zügen aufgeflackert. Sie war noch immer da drinnen gewesen, gefangen hinter dem Wahnsinn, den das Virus entfesselt hatte, und sie hatte furchtbare Angst gehabt.
Ich hasste es, Angst zu haben. Angst roch nach Schwäche, und die Schwachen überlebten nicht.
9
Ich setzte Mandenauer am Eagle’s Nest ab. „Lassen Sie es uns wissen, falls Sie irgendwas brauchen.“
Er lehnte sich durch das Beifahrerfenster in den Wagen und musterte mich prüfender, als mir behagte. „Was, wenn ich einen Assistenten bräuchte?“
Mein Puls beschleunigte sich bei der Vorstellung, den Wol f – oder die Wölf e – zu jagen, aber ich wollte auf keinen Fall begierig wirken.
„Wenden Sie sich an Clyde.“ Ich legte den Rückwärtsgang ein, und Mandenauer zog den Kopf aus dem Fenster, bevor er ihn verlieren konnte.
Die Sonne ging gerade unter, während ich in die Stadt zurückfuhr. Wir waren länger im Wald gewesen, als ich gedacht hatte, aber das passierte oft. Man verliert das Zeitgefühl, wenn man durch einen Wald spaziert. Vielleicht verbrachte ich deshalb so viele Stunden dort.
Ich sah auf meine Uhr und rechnete halb damit, dass sie stehen geblieben war, als ich zwischen die Bäume in der Nähe von Cadottes Blockhaus eingetaucht war. Natürlich hatte sie das nicht getan. Die Zeit war ebenso weitergelaufen wie ich selbst.
Mein Magen knurrte. Ich überlegte, was ich zu Hause in meinem Kühlschrank hatte, und stellte fest, dass es das Übliche war. Nichts.
IcherreichtedieSportsman’sBar,parktedenWagenundging hinein. Einen Cheeseburger und eine Cola später fuhr ich heim. Es war vollständig dunkel geworden, während ich gegessen hatte. Mir blieben drei Stunden,
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