Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
an ihrer Seite weiter.
In einer dunklen Gasse machte sie halt und keuchte mit rasselndem Atem. Ihr wurde schwindlig, und sie begann zu wanken.
Tikia sank erschöpft auf die Knie. Ihr Kopf dröhnte unglaublich, ihre Augen wurden schwer, ihr Blick verschwamm. Nach Atem ringend kippte sie vornüber und verlor das Bewusstsein.
Koon stupste sie verzweifelt an und leckte ihr übers Gesicht, doch Tikia wachte nicht auf. Behutsam legte sich Koon über den zitternden Körper seiner Gefährtin und wärmte ihn. Wachsam blickte er auf die Straße, wo Menschenmassen vorbeiströmten.
Langsam wurde es dunkel, und mit dem Abend kam noch eisigere Kälte. Koon winselte leise und presste seinen Körper fester gegen den von Tikia. Tikias Atmung verschlechterte sich zusehends. Koon jaulte verzweifelt und leckte ihr übers Gesicht.
Es kam kaum noch ein Mensch an der Gasse vorbei.
Koon verharrte auf Tikias immer schwächer werdendem Körper. Traurig begann er den aufgehenden Mond anzujaulen und klagte ihm sein Leid. Seine Schnauze war hoch emporgereckt, seine Ohren lagen fest an seinem Kopf. Ein unglaublich trauriges Heulen drang aus seiner Kehle und klang dumpf durch die nächtliche Stille. Verzweifelt leckte er Tikia immer wieder übers Gesicht.
»Tikia …«
Koon horchte auf.
»Tikia …«
Jemand rief nach seiner Gefährtin. Jemand suchte sie. Koon jaulte laut auf.
»Tikia …«, hörte er die Stimme erneut in weiter Entfernung.
Koon richtete sich auf und trat auf die Straße. Er blickte sich um, konnte aber niemanden sehen.
»Tikia …«
Koon drehte sich klagend zu Tikia um, die noch immer bewusstlos auf dem kalten Asphalt lag.
»Tikia …«
Winselnd ging Koon zu Tikia, leckte ihr sanft übers Gesicht, und preschte dann in die Richtung los, aus der die vertraute Stimme kam. Er wusste, dass er Tikia nicht helfen konnte und dass diese Stimme die letzte Hoffnung für seine Gefährtin war.
Nach einer Weile erkannte er eine Gestalt, die »Tikia« rufend durch die Straßen lief. Jaulend rannte er auf sie zu.
Die Gestalt war jetzt stehen geblieben.
»Koon?«, rief sie ihm zu.
Koon jaulte auf.
Kenzô rannte dem Wolf entgegen, der ihn wild heulend begrüßte. Der Wolf drehte sich wieder in die Richtung um, aus der er gekommen war, und blickte Kenzô verzweifelt an.
»Ist Tikia dort hinten?«, fragte Kenzô ihn eindringlich.
Der Wolf sprang ihn an, schnappte nach seinem Umhang und zog wild daran.
»Führ mich zu ihr, Koon! Führ mich zu Tikia!«, schrie Kenzô, und der Wolf preschte los.
Atemlos rannte Kenzô hinterher und erreichte kurz nach Koon die kleine dunkle Gasse.
»Tikia …«, flüsterte er besorgt und trat zu ihr.
Koon winselte leise an seiner Seite.
Kenzô tastete nach dem Puls des Mädchens und fühlte ihn ganz schwach an ihrem Hals.
Sanft hüllte er den Mantel seiner Mutter um den zitternden Körper, hob die bewusstlose Tikia hoch und trug sie so schnell er konnte zu sich nach Hause.
KAPITEL 27
Dr. Tzerenjô
Shila hatte die ganze Zeit bangend am Fenster gestanden und unaufhörlich dafür gebetet, dass ihr Sohn wohlbehalten mit Tikia zurückkommen würde.
Die Anrufe in den Krankenhäusern hatten glücklicherweise nichts gebracht. Nirgends war in den letzten Stunden ein junges Mädchen eingeliefert worden. Würde sich dies ändern, so würde man sie sofort benachrichtigen. Jetzt konnte Shila nur noch warten.
Schemenhaft erblickte sie in einiger Entfernung eine unförmige Gestalt. Shila verengte ihre Augen zu Schlitzen, um besser erkennen zu können, um wen es sich handelte.
Als die Gestalt allmählich näher kam, erkannte sie überglücklich ihren Sohn, der Tikia in den Armen hielt, und Koon, der aufgeregt neben ihm herlief.
Sofort stürzte sie aus dem Haus und rannte ihnen entgegen. »Kenzô«, rief sie erleichtert, »du hast sie gefunden!«
»Ich habe dir doch gesagt, dass du drinnen bleiben sollst!«, murrte Kenzô vorwurfsvoll. »Dein Herz!«
Doch Shila hörte ihm gar nicht mehr zu. Besorgt sah sie Tikia an. Als sie jedoch merkte, dass Tikia kein Lebenszeichen von sich gab, blickte sie erschrocken zu ihrem Sohn. »Ist sie …?«Tränen traten ihr in die Augen, ein stechender Schmerz legte sich auf ihre Brust und ging auf ihr Herz über.
»Mein Gott, nein … Sie ist bloß bewusstlos«, beruhigte Kenzô sie. »Aber sie ist stark unterkühlt! Sie braucht dringend ärztliche Hilfe!«
Shila nickte bekümmert, stürzte ins Haus zurück und griff nach dem Telefon.
Kenzô trug Tikia erschöpft ins
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