Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
aufzupassen! Wo ist er?«
»Er ist weg!«, schluchzte Shila verzweifelt.
Tikia richtete sich auf. »Wie … er ist weg? Koon würde niemals weglaufen!«
»Seranas Vater hat ihn niedergeschlagen und mitgenommen! Er will ihn in der Nachbarstadt verkaufen! Ich konnte nichts tun!« Shila bebte am ganzen Körper.
»Wo ist mein Winterpelz?«, fragte Tikia.
»Warum?«, fragte Shila leise und sah Tikia traurig an.
»Wo ist er? Ich hole Koon zurück!!!«
Shila sah Tikia eindringlich an. Sie wusste, dass sie Tikia nicht aufhalten konnte, egal was sie sagte; schluchzend gab sie nach. »In meinem Schrank!«
Tikia rannte die Treppe hoch, ging zu Shilas Schrank, zog ihren Winterpelz aus der Ablage heraus, zog ihn an und stieg in ihre dicken Fellschuhe. Dann ging sie in ihr Zimmer und schnappte sich ihren Beutel und ihr Jagdgewehr.
Wieder unten, blickte sie Kenzô auffordernd an. »Führ mich zu ihm!«
»Er ist jetzt sicher nicht bei sich zu Hause!«, erwiderte Shila erschrocken über Tikias Auftreten.
»Ich nehme an, er ist in dem alten Schuppen außerhalb der Stadt. Serana hat mich einmal dorthin geführt …«, sagte Kenzô nachdenklich.
»Bring mich zu ihm!«, befahl Tikia.
»Das ist viel zu gefährlich für dich!«, sagte Kenzô und trat zu ihr hin.
Tikia hob ihr Jagdgewehr und hielt es Kenzô an die Stirn. »Ich bin es auch! Ich mag dich, Kenzô. Aber wenn du mich nicht dorthin führst, bring ich dich um!«
Shila blickte Tikia ruhig an. Die Entschlossenheit in Tikias Augen machte ihr Angst, und gleichzeitig gefiel sie ihr, weil Tikia sie an Kerû erinnerte. »Tu, was sie sagt!«, befahl sie Kenzô.
»Mir bleibt wohl keine andere Wahl. Aber … das ist Selbstmord! Diese Typen sind gefährlich!«, herrschte Kenzô Tikia an, trotzdem begann er, sie in die Richtung des Schuppens zu führen.
»Du brauchst mich bloß hinzuführen, ich gehe alleine rein«, sagte Tikia entschlossen.
»Ich habe keine Angst, o. k.? Ich sorge mich bloß um dich! Glaubst du etwa, du könntest da reinspazieren und unbeschadet mit Koon wieder rauskommen?«
»Ja«, erwiderte Tikia kurz. »Für den Fall, dass das nicht möglich ist, habe ich immer noch das hier!« Tikia tätschelte liebevoll ihr Jagdgewehr.
»Willst du sie etwa umbringen?«, fragte Kenzô entsetzt.
»Wenn es sein muss – ja!«, antwortete Tikia.
»So was könntest du? Sie kaltblütig umbringen?«, fragte Kenzô Tikia fassungslos.
»Soll ich etwa zusehen, wie sie meinen besten Freund verkaufen und nachher töten?«
Kenzô blickte Tikia nachdenklich an. »Ist er dir so wichtig?«
»Koon ist mein bester Freund, Kenzô! Er bedeutet mir alles! Hätte ich ihn damals nicht getroffen, hätte ich es niemals so weit geschafft! Wenn ich heute sagen kann, dass ich glücklich bin, dann habe ich das allein ihm zu verdanken! Selbst als ich die Hoffnung verloren hatte und eine schwere Zeit über mich hereingebrochen war, wich er nicht von meiner Seite! Ich kann ihn jetzt nicht im Stich lassen – selbst wenn seine Rettung ein Menschenleben fordern sollte.«
Tikia schritt unbeirrt weiter, und Kenzô ging ihr schweigend hinterher. Er verstand ihre Denkweise auf einmal und wusste, dass er es an ihrer Stelle nicht so weit geschafft hätte. Noch nicht einmal mit Tenzing an seiner Seite.
»Ist es da?«, fragte Tikia auf einmal und zeigte auf einen großen hölzernen Schuppen, der vom Mondlicht erhellt wurde.
»Ja«, antwortete Kenzô leise und folgte Tikia, die ihre Schritte nun beschleunigt hatte. »Pass auf dich auf, Tikia, hörst du?«
»Klar!«, antwortete Tikia.
»Ich komm mit dir!«, sagte Kenzô bestimmt und trat einen Schritt nach vorn.
Tikia hielt ihm abermals das Gewehr an die Stirn. »Du bleibst hier! Meinetwegen warte draußen auf mich, aber du wirst mir nicht folgen! Zu zweit fallen wir eher auf. Folgst du mir dennoch, werde ich dich erschießen, glaub mir!«
Tikia sah ihn kalt an und drehte sich entschlossen um.
Kenzô verharrte still hinter einem Baum, als Tikia sich entfernte.
Behutsam griff Tikia in den Beutel, zog drei Patronen heraus und lud ihr Jagdgewehr. »Nur noch drei Patronen … Ich brauche dringend neue«, dachte sie und schlich sich näher an den Schuppen heran.
Sie blieb knapp davor stehen und lugte ins Innere. Dort hielt man Koon in einem Käfig gefangen. In der rechten Ecke saß ein großer bärtiger Mann, den Tikia als den Lastwagenfahrer erkannte. In der anderen Ecke saß ein Dicker, den Tikia noch nie zuvor gesehen hatte.
Tikia trat
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