Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
man doch auf sie warten.«
Koon hob seine rechte Pfote und versteckte damit unbeholfen seine Schnauze. Kenzô musste lachen. »Ich vergaß, dass du schon öfter auf Tikia warten musstest als ich. War sicher nicht immer leicht mit ihr, was?«, sagte er und stupste Koon fröhlich an. Inzwischen hatte er sich an den Wolf gewöhnt und es mit der Zeit sogar als normal empfunden, sich mit ihm zu unterhalten.
Koon horchte auf. Kenzô blickte ihn neugierig an. »Hörst du was, Koon?«, fragte er den Wolf. »Kommen sie?«
Koon jaulte auf und ging schwanzwedelnd zum Treppenansatz. Kenzô folgte ihm und wollte seinen Augen nicht trauen. Dort am oberen Ende der Treppe stand Tikia in das rote Ballkleid gekleidet, ein glitzerndes Diadem in den Haaren, die ihr in wunderschönen, glänzenden Locken um die schmalen Schultern fielen.
»Du siehst umwerfend aus«, hauchte Kenzô ihr zu.
Tikia lächelte verlegen.
»Hab ich alles gemacht!«, sagte Shila stolz und lächelte Kenzô an. Sie schulterte Tikia ihren warmen Umhang über und wandte sich an ihren Sohn: »Dass du ja auf sie aufpasst!«
»Ich werde sie den ganzen Abend nicht aus den Augen lassen!«, versicherte Kenzô seiner Mutter, nahm Tikias Hand und führte die junge Dame hinaus auf die Straße.
Nur widerwillig ließ Koon die beiden ziehen. Missmutig legte er sich auf die Schwelle der Haustür und winselte leise.
»Na komm, Koon!«, lachte Shila. »Lass den beiden doch ihren Spaß. Sie kommen ja wieder.«
Doch nur ein lautes Grollen entrang Koons Kehle, während er seinen Kopf auf den Boden legte, überzeugt, sich nicht von der Stelle zu rühren, bis sein Frauchen wiederkommen würde.
Kopfschüttelnd schloss Shila die Tür.
KAPITEL 31
Erkenntnis
Die Straße war wie leergefegt. Nirgends war ein Mensch zu sehen. Nur ab und an hörte man ein Käuzchen durch die nächtliche Stille rufen.
»Es ist so herrlich still!«, meinte Tikia glücklich. »Ich hatte schon befürchtet, es wäre wieder so laut, und diese furchtbaren Autos würden herumrasen.«
»Das tun sie nur bei Tag!«, versicherte Kenzô ihr. »Das habe ich dir doch bereits erklärt! Komm jetzt! Wir müssen uns etwas beeilen! Es sind bestimmt schon alle da!«
Sie beschleunigten ihre Schritte, und schon bald hörte Tikia vertraute Klänge.
»Das hört sich ja an wie die Musik aus dem blechernen Ding in deinem Zimmer«, meinte sie verwirrt.
»Das ist ja auch dasselbe Lied!«, antwortete Kenzô ihr fröhlich. »Welches blecherne Ding?« , fragte er sich. »Meint sie etwa meinen Ghettoblaster?«
In einigen Metern Entfernung entdeckten sie eine hell beleuchtete Bühne, auf der bereits etliche Pärchen tanzten. Fasziniert beobachtete Tikia die vielen Lichter.
»Angst?«, fragte Kenzô Tikia leise.
»Nein!«, antwortete sie. »Du bist ja bei mir.«
Kenzô zog Tikia näher an sich heran und legte seinen Arm um ihre Taille. »Ich beschütze dich!«, flüsterte er leise.
Tikia lief rot an und stieß ihn verlegen von sich.
»Hey, ihr beiden!«, erklang eine männliche Stimme hinter ihnen.
Kenzô und Tikia wirbelten herum und erkannten einen Jungen und ein Mädchen, die heftig winkend auf sie zukamen.
»Tenzing!«, rief Kenzô dem Jungen fröhlich entgegen.
»Na, aufgewacht?«, fragte Tenzing Tikia, die verwirrt nickte. »Hatte Kenzô ihm von ihr erzählt …?«
»Kenzô hat mir alles erzählt. Ich heiße Tenzing. Ich bin sein bester Freund«, stellte er sich vor. Dann wandte er sich zu Kenzô um. »Du hast dich also endgültig mit ihr versöhnt, ja?«
»Ja! Du hattest recht, was sie und den Wolf betrifft!«
»Klar hatte ich recht!«, antwortete Tenzing und knuffte seinen Freund scherzend in die Seite.
Tikia musterte das junge Mädchen an der Seite des Jungen argwöhnisch. Seit die beiden näher gekommen waren, hatte das Mädchen Tikia nicht aus den Augen gelassen.
»Seid ihr zusammen?«, fragte es Tikia nun.
»Wir sind zusammen hier, ja!«, antwortete Tikia verwirrt.
»Ja, aber seid ihr zusammen?«
Verwirrt sah Tikia Kenzô an. »Was meint sie?«
Das Mädchen lachte hämisch. »Weiß sie noch nicht einmal, was Zusammensein bedeutet?«
»Nein! Weiß sie nicht! Hast du ein Problem damit?«, fuhr Kenzô sie an.
»Reg dich nicht auf, Kenzô! Ich tu deinem Püppchen schon nichts!«
Kenzô ignorierte die Bemerkung des Mädchens und wandtesich an Tenzing. »Warum tauchst du mit der auf?«, fragte er ihn grimmig.
»Weißt du …«, erklärte Tenzing, »sie hat mich gestern gefragt, und da ich ganz
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