Wolfslied Roman
anderen?«, fragte ich.
»Pascal, Gunther und Elias«, antwortete Abel und warf einen nervösen Blick auf die Hunde. Sie wirkten verschreckt, was ich ihnen nicht vorwerfen konnte. Ich wusste, dass von den drei Genannten zumindest Pascal tot war, und nahm an, dass die anderen beiden vermutlich ein ähnliches Schicksal ereilt hatte.
»Sie meinen, dass ich in den Keller gehen soll«, fuhr Abel fort. »Aber ich mag den Keller nicht. Möchten Sie vielleicht mitkommen?« Mit einer gewissen Hoffnung in der Stimme fügte er hinzu: »Ich bin lieber von Lebenden umgeben, wenn ich da hinuntergehe, wissen Sie. Aber in letzter
Zeit will mich keiner meiner Angestellten mehr begleiten. Sie bekommen auch eine gute Schokoladen-Kaktus-Suppe von mir, gefolgt von Tomaten- und Ziegenmilcheiscreme, die ich gerade erst zubereitet habe. Versprochen.«
Mit solchen Gerichten musste das Haus nicht verflucht sein, um potenzielle Gäste abzuhalten.
»Tut mir leid«, sagte ich und ging, so schnell ich konnte, weiter. »Ich muss zum Café Belle Sauvage .«
»Das sagen sie alle«, murmelte Abel, als er mir hinterherblickte. Vielleicht bildete ich mir es nur ein, aber einen Moment lang glaubte ich zwei bleiche Gestalten neben ihm stehen zu sehen, als ich mich noch einmal zu ihm umdrehte - einen hageren Mann mit einer scharfen Nase und einem weiten Anzug im Stil der achtziger Jahre. Dann war da noch ein kleiner glatzköpfiger Kerl in einem viktorianischen Gehrock.
Während ich auf das Café zueilte, warf ich mehrmals einen beunruhigten Blick in den Himmel hinauf. Abel mochte vielleicht nicht wissen, was normale Menschen gerne aßen; doch was den Sturm betraf, so hatte er sich nicht geirrt. Die Wolken bildeten inzwischen eine geschlossene Decke und wurden immer dunkler - fast so, als hätte jemand dem Himmel einen blauen Flecken verpasst.
»Ich glaube, wir haben es gerade noch rechtzeitig geschafft«, sagte ich zu den Hunden. Dann wurde mir klar, dass ich sie nicht mit ins Café hineinnehmen konnte. »Sorry«, entschuldigte ich mich bei ihnen. In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich klappte es auf. »Hallo?«
»Hi, Doc.«
Es war Red. Seine Stimme klang so, als würde er sich mitten in einem Sturm oder am anderen Ende der Welt
und nicht nur wenige Kilometer von mir entfernt befinden.
»Wo bist du?«, fragte ich aufgeregt. »Alles in Ordnung?« Ich sah wieder zum Himmel hinauf. Die Wolkendecke war jetzt rabenschwarz, und der Wind wurde so heftig, dass er große Bäume umzubiegen begann.
»Ja, mir geht es gut«, erwiderte Red, ehe es in der Leitung laut knisterte und ich kaum mehr etwas hören konnte.
»Red? Red! Sprich lauter. Ich kann dich nicht hören!«, rief ich ins Telefon.
»Wo bist du?«
»In der Stadt«, brüllte ich so laut es ging. »Ich weiß, dass die Haustiere wild werden. Pia hat Malachys Medizin geklaut, und er selbst hat sich in Mr. Hyde verwandelt.«
Ich hielt inne und lauschte dem Krachen am anderen Ende der Leitung. »Red?«
»Hör zu.« Die Verbindung wurde immer wieder unterbrochen, wodurch ich nur Bruchteile von dem hörte, was er sagte. »Bleib … nicht … nach Hause …«
»Ich soll nicht nach Hause kommen?«
Eine andere Stimme meldete sich. Obwohl ich sie erst einmal gehört hatte, wusste ich sogleich, wem sie gehörte. »Das reicht«, erklärte Bruin mit seinem nasalen französischen Akzent.
Ich hörte, dass Red etwas rief, und dann vernahm ich einen Laut, der wie ein heftiger Schlag klang, gefolgt von einem Stöhnen.
»Red? Red!«, schrie ich ins Handy. »Was ist los? Was tust du ihm an, du Monster?«
Ich trat zwei Schritte zur Seite. Auf einmal hörte das Rauschen in der Leitung auf. Es mochte zwar manche Unterschiede
zwischen magischen Feldern und Funkbereichen geben, aber so groß schienen sie doch nicht zu sein.
»Warum tust du das?«
Zugegebenermaßen nicht die klügste Frage, aber ich platzte trotzdem damit heraus. Wenn man sich in einer echten Krise befindet, spielen Nuancen, Originalität und Raffinesse keine große Rolle mehr. Als wollte ich mir selbst Recht geben, fügte ich noch hinzu: »Bitte, lass ihn wieder frei, Bruin.«
Er lachte. »Aber Red war es doch, der mich nicht in Ru’e lassen wollte. Non , er’at überall Grenzlinien gezogen und mich bedrängt. Wie ich merke, willst du gar nicht wissen, wie es deiner Freundin geht. Ist dir wohl egal, was ich mit ihr mache - eh?«
Lilliana. O Gott, wie konnte ich sie vergessen? »Geht es ihr gut?«
»Viel besser als gut. Sie ist sehr
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