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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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beugte mich noch immer über Queenie, hatte inzwischen jedoch mit dem Streicheln aufgehört. Sie gab mir mit ihrer braunschwarzen Schnauze einen Stups und drückte dann ihr ganzes Gewicht gegen meine Schulter und meinen Arm, so dass sie mich beinahe umwarf. Ebenso wie viele andere große Hunde haben auch Rottweiler ein angeborenes Bedürfnis, sich an die Unachtsamen zu lehnen.
    »Gutes Mädchen«, sagte ich. Ehe Marlene mir widersprechen konnte, fügte ich noch meine medizinische Diagnose hinzu: »Sie scheint etwa im zweiten Monat zu sein, so wie sich das anfühlt.«

    »Verdammt. Ich wollte eigentlich schon vor ein paar Wochen vorbeikommen, hab es zeitlich aber einfach nicht auf die Reihe gekriegt. Na gut, lässt sich eben nicht ändern. Wie lange brauchen Sie, um es wegzumachen?«
    Ich richtete mich auf, um Marlene direkt in die Augen zu blicken, während ich mir überlegte, wie ich jetzt reagieren sollte. Natürlich hatte ich als Tierärztin schon mehrmals Abbrüche vorgenommen, was gewöhnlich allerdings durch die Pille danach oder eine Hormoninjektion geschehen war. Manchmal gibt es auch trächtige Weibchen, die zu klein oder noch zu jung sind, um erfolgreich einen Wurf auf die Welt zu bringen. Manchmal hatte ich diese Eingriffe auch vorgenommen, weil es bereits zu viele Welpen oder Kätzchen auf der Welt gibt, und sich diese Welt den Ungewollten gegenüber meist nicht sehr freundlich verhält. Da hatte niemand vor dem tiermedizinischen Institut mit Plakaten demonstriert oder mich eine Mörderin genannt.
    Aber wie die meisten Veterinäre halte auch ich mich an einen moralischen Kodex. Ich finde es zum Beispiel falsch, ein Tier einzuschläfern, wenn es nicht unheilbar krank ist oder unter schrecklichen Schmerzen leidet. Es tut mir leid, wenn jemand umziehen muss und dadurch keinen Platz mehr für Captain hat, aber das ist doch noch lange kein Grund, einen gesunden jungen Hund zu töten, dessen einziges Verbrechen darin besteht, für die neue Wohnung zu groß zu sein.
    Ich kupiere auch keine Ohren oder Schwänze von Welpen, weil ich das schlicht und ergreifend für eine Verstümmelung des Tieres halte. Ich ziehe Katzen nicht die Krallen, weil ich weiß, dass ich ihnen damit sozusagen die Fingerknochen abschneiden würde.

    Und ich treibe auch keine Embryos ab, die man schon deutlich an der Rundung des Bauches der Mutter erkennen kann.
    »Die Sache ist die«, sagte ich. »Die Schwangerschaft eines Hundes dauert normalerweise etwa dreiundsechzig Tage …« Ich sprach nicht weiter, da ich Marlene nicht noch weiter reizen wollte, indem ich ein ›Das sollten Sie eigentlich wissen, wenn Sie als Züchterin einsteigen wollen‹ hinzufügte.
    »Und?«
    »Das bedeutet, dass es jetzt für einen Abbruch zu spät ist. Queenie sollte in etwa einer Woche so weit sein.«
    Die Hundebesitzerin schnaubte empört auf. »Verdammter Mist!«, knurrte sie.
    »Tut mir leid. Aber falls Sie Hilfe beim Werfen brauchen sollten oder ein gutes Zuhause für die Welpen suchen, kann ich Ihnen gerne …«
    »Das wird nicht nötig sein«, unterbrach sie mich scharf und befestigte die Leine an Queenies Halsband. »Wie viel schulde ich Ihnen?«
    Erneut betrachtete ich Queenie, die eine auffallend breite und große Schnauze besaß, was auf viele angsteinflößend wirken mag, mich aber eher an den Ausdruck einer dicken, freundlichen Bardame erinnerte.
    »Was werden Sie mit den Welpen machen, Marlene?«
    Sie bedachte mich mit einem kalten, harten Blick. »Da Sie ja nicht helfen wollen, werde ich mir wohl selbst was einfallen lassen müssen. Bleibt nichts anderes übrig, oder?«
    Queenie wedelte zweimal hintereinander rasch mit ihrem kurzen Stummelschwanz. Vermutlich wartete sie schon ungeduldig darauf, wieder nach draußen zu dürfen, wo die
Luft angenehm kalt war und der gerade erst geschmolzene Schnee auf dem Boden eine herrliche Mischung verschiedener Gerüche freigesetzt hatte. Ich stellte mir die gutmütige Hündin vor, wie sie ihre Welpen warf und sich dann vertrauensvoll zurücklegte, bis ihr die Kleinen gnadenlos entrissen wurden. Marlene würde sich vermutlich mehr Gedanken über ihre Fingernägel als über das Leid machen, das sie ihrem Hund und den Neugeborenen antat, indem sie die Jungen in einen Sack steckte und diesen in eine Mülltonne warf.
    Ich holte tief Luft. »Warten Sie, Marlene.«
    Sie hörte einen Moment lang auf, in ihrer Handtasche zu wühlen, und sah mich mit ihren falschen Wimpern und echter Feindseligkeit an. Doch dann wusste

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