Wolfsmagie (German Edition)
Marty den Zettel in die Hand und rannte los.
Der Interpol-Agent erwies sich als schneller Läufer. Er holte Liam ein, als der das Wasser erreichte. »Was ist los?«, stieß er hervor.
»Es gibt da eine Stelle am See. Sehr abgelegen. Der schnellste Weg dorthin ist über das Wasser.«
Marty guckte sich hilflos um. »Wir brauchen ein Boot.«
Liam beobachtete den Horizont. »Ich nicht«, sagte er, als im selben Moment die Sonne den Horizont küsste.
Kris musste etwas unternehmen. Dougal plante, sie zu töten, Nessie die Schuld zu geben und fröhlich weiterzumorden, sobald Marty und Edward glaubten, dass sie das Problem aus der Welt geschafft hätten.
Ohne Zweifel würden ihm wieder Fehler unterlaufen, und beide Männer würden sich von Neuem an seine Fersen heften, aber da wäre Kris längst tot, genau wie Liam. Und das wollte sie unbedingt vermeiden.
Ihn zur Einsicht bringen zu wollen, war keine Option mehr. Dougal hatte jede Einsicht schon vor langer Zeit verloren.
Damit blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn zu töten, bevor er sie tötete.
Er würde sie irgendwie in den See befördern müssen. Vielleicht könnte sie ihn mit hineinziehen. Seinen Kopf unter Wasser halten …
Aber womit? Mit den Zähnen? Kris zerrte wieder an ihren Handfesseln.
»Zeit, eine Runde schwimmen zu gehen.« Dougal gestikulierte mit seiner Pistole zum Loch Ness. »Rein mit dir.«
»Ich werde mit gefesselten Händen nicht schwimmen können.«
»Stimmt«, bestätigte er feixend. »Das wirst du nicht.«
»Wird das keinen Argwohn erregen?«
»Dass ein Serienmörder-Kelpie deine Hände gefesselt hat? Was für eine grausame, niederträchtige Kreatur.« Dougal fuchtelte mit dem Pistolenlauf zum See. »Setz dich in Bewegung.«
»Ich … Nein.« Kris stand auf. »Du willst, dass ich ertrinke. Du wirst mich nicht erschießen.«
»Ach, nein?« Er senkte die Waffe und feuerte. Erde spritzte wenige Zentimeter vor Kris durch die Luft. Sie konnte nicht anders, als ängstlich zurückzuweichen.
Dougal folgte ihr. »Rein mit dir.«
Kris hob trotzig das Kinn. »Das werde ich nicht tun.«
Peng!
Erdreich explodierte eine Handbreit vor ihrem rechten Zeh. Sie taumelte und stand bereits bis zu den Knöcheln im Wasser, dann machte sie einen vorsichtigen Schritt nach vorn.
Peng!
Wasser spritzte zu ihrer Linken. Dieses Mal wich Kris nicht von der Stelle, auch wenn sie zusammenzuckte; sie biss die Zähne zusammen und bewegte sich keinen Zentimeter weiter. Peng , zur Rechten. Peng , links von ihr. Rechts. Rechts. Links. Links.
Dougal lud so schnell und geschmeidig nach, dass sie nur einen einzigen Schritt machen konnte, ehe er die nächsten Schüsse abgab. Drei in Folge – rechts, links und wieder rechts. Benommen und mit klingelnden Ohren schwankte Kris auf den Beinen.
Als in einer gigantischen Wasserfontäne Nessie die Wasseroberfläche durchbrach.
Mit gefletschten Zähnen jagte sie an Kris vorbei und auf Dougal zu. Seine Augen wurden vor Entsetzen so weit, dass das Weiße in der hellen Morgensonne leuchtete. Er drückte ab, entlud sein Magazin in die graue, seehundartige Haut.
Nessie stürzte ins seichte Gewässer und lag still wie ein gestrandeter Wal.
Kris’ Herz erstarrte zu Eis, wie es ihre Füße in dem kalten Wasser längst getan hatten. Fassungslos betrachtete sie Nessies massige, blutende Gestalt.
»Hoppla.« Dougal inspizierte seine Pistole.
»Da-da-das ist …« Kris’ Zähne begannen zu klappern.
»… bedauerlich«, vollendete Dougal.
Kris hatte unmöglich sagen wollen, doch das war es ganz offensichtlich nicht. Soweit sie das von ihrer Position erkennen konnte, hatte Nessie bereits zu atmen aufgehört. Womöglich war ein Nachkomme der Hexe, die das Ungeheuer erschaffen hatte, der Einzige, der es töten konnte.
Kris’ ganze Welt wurde aus den Angeln gehoben, und plötzlich war alles klar – einen Augenblick zu spät.
Verführung war die eine Sache, Liebe eine vollkommen andere. Toller Sex konnte keine Gefühle auslösen, die nicht vorhanden waren.
Wie ihre Liebe zu Liam Grant.
»Nun gut.« Dougal schob einen dritten Ladestreifen in das Magazin. Wie viele hatte er? »Damit kann ich arbeiten. Ich werde dich ertränken, behaupten, das Ungeheuer war es, deshalb habe ich es erschossen. Zu schade um das Video. Ich hätte es mir später gern angesehen, aber manchmal muss man improvisieren.« Dougal schleuderte die Waffe ans Ufer, packte Kris am Arm und zog sie tiefer in den See hinein.
Sie wehrte sich nach Kräften.
Weitere Kostenlose Bücher