Wolfsmagie (German Edition)
schneller anzog als je zuvor.
Das Gespräch zwischen den beiden lief schlecht, was der konstante Anstieg der Lautstärke in der wenigen Zeit, die Kris benötigte, um in eine Jogginghose und ein T-Shirt zu schlüpfen, bevor sie zurückhastete, bewies.
»Du kannst dich verzappen«, sagte Marty gerade.
»Keine Chance.«
»Was glaubst du, werde ich tun? Sie ist meine Schwester.«
»Du hast ihr schon genug Leid zugefügt, Yankee.«
»Warum glauben Ausländer …« Marty dachte kurz nach, dann setzte er hinzu: »… genau wie die Südstaatler eigentlich immer, dass das eine Beleidigung ist? Für einen Fan der Red Sox mag das sogar gelten. Aber das bin ich nicht.«
»Ich hab keine Ahnung von American Football.«
Marty guckte zu Kris. »Meinst du es echt ernst mit diesem Kerl? Er kennt noch nicht mal den Unterschied zwischen Football und Baseball.«
»Ja, genau das mag ich an einem Mann.«
Liam runzelte die Stirn. »Wirklich?«
»Das war sarkastisch gemeint«, klärte Marty ihn auf. »Gewöhn dich besser dran.«
Kris hatte vergessen, wie nervtötend ihr Bruder sein konnte.
»Und jetzt verschwinde«, befahl er.
»Nein.«
»Kris, sag ihm, dass ich dir nichts tun werde.«
»Er wird mir nichts tun«, wiederholte sie gehorsam.
»Da bin ich mir nicht so sicher.« Liam zog einen Zettel aus der Tasche und reichte ihn ihr.
Kris überflog das Papier, bei dem es sich um eine ungeordnete Liste von Daten und Orten zu handeln schien. »Was ist das?«
Liam, der Marty noch immer anstarrte, als könnte der jeden Moment anfangen zu singen und zu tanzen oder ihm ansonsten einfach nur die Nase brechen, hob das Kinn. »Frag ihn.«
Kris streckte Marty die Liste entgegen. Er nahm sie, studierte sie, dann runzelte er die Stirn. »Du hast Nachforschungen über mich angestellt?« Interessanterweise klang seine Stimme eher beeindruckt als verärgert.
Liam nickte.
»Warum?«, fragte Kris.
»Du findest es nicht merkwürdig, dass er hier aufgetaucht ist? Nach all der Zeit will er plötzlich – und dazu in einem fremden Land – eine Beziehung zu seiner Schwester anknüpfen, die er so schmählich im Stich gelassen hat?«
»Ich habe sie nicht …«, setzte Marty an.
»Doch, das hast du. Du sagtest, du hättest deine Gründe gehabt, und zu denen kommen wir noch. Trotzdem hast du sie sich selbst überlassen und nie wieder nach ihr gefragt, was ihr bis heute wehtut. Natürlich wundere ich mich da, was dich hierher führt, und das gerade jetzt, wo wir hier selbst ein klitzekleines Problem haben.«
Klick . Kris hätte schwören können, tatsächlich zu hören, wie das Puzzleteil in ihrem Hirn an seinen Platz rutschte. »Gib mir diese Liste zurück.«
Marty reichte sie ihr.
»Was ist los?«, fragte Liam.
»Warte.« Kris fuhr ihren Computer hoch, griff auf ihre E-Mails zu und lud herunter, was Edward ihr geschickt hatte.
Die Angaben stimmten überein.
22
Kris öffnete das, was sie insgeheim als ihre Waffenschublade bezeichnete, nahm die Pistole heraus und richtete sie auf Marty. »Liam, geh weg von ihm.«
Es schockierte sie, dass sie fähig war, mit einer Waffe, die bestimmt mit Silberkugeln geladen war, auf ihren Bruder, der ein Gestaltwandler sein könnte, zu zielen, trotzdem zitterten weder ihr Stimme noch ihre Hände.
Liam stellte sich neben sie. »Bist du übergeschnappt?«
»Du warst es doch, der ihn überprüft hat.«
»Ich habe kein Schusswaffendelikt entdeckt.«
»Ich schon.« Kris beschloss, Edward aus der Sache rauszuhalten. »Die Länder, die Marty bereist hat, stimmen überein mit einer Liste von Orten, an denen Morde verübt wurden, die auf das Konto verschiedener regionaler Legendengestalten zu gehen scheinen.«
Ihr Bruder lächelte. »Ein loup-garou in einem Pariser Außenbezirk. Ein Hyänen-Wandler in Äthiopien. Ein Riese in Tasmanien.«
»Der Thardid Jimbo «, ergänzte Kris. »Warst das du?«
»Nein.«
Sie hob eine Braue. »Du meinst, dass ich dir das einfach abkaufe und die Waffe weglege?«
»Bisher hast du es mit der Wahrheit nie so genau genommen«, pflichtete Liam ihr bei.
»Habe ich mich während unserer Kindheit oft im Gestaltwandeln geübt?«, konterte Marty.
»Nur, weil du dich damals nicht verwandelt hast, heißt das noch lange nicht, dass du es heutzutage nicht tust. Du könntest …« Sie machte eine Pause und rief sich Edwards Worte ins Gedächtnis. »… durch eine Injektion infiziert worden sein. Verflucht worden sein. Oder gebissen.«
Großer Gott, hatte sie das wirklich gerade
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