Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
Geschworenen.
»Meine Damen und Herren Geschworenen«, begann er, »man hat mich in dem Fall die Krone gegen
Thomas Watkiss darauf hingewiesen, dass die Aussage des Police Constable Mills eine Passage
enthielt, die Ihnen möglicherweise im Gedächtnis geblieben ist und Ihre Objektivität beeinflussen
könnte.«
Der Mann auf der Anklagebank war also Tommy Watkiss, der Mann von Maria. Rebus betrachtete ihn
erneut, während er versuchte, den Zeitungsartikel zu vergessen. Watkiss hatte ein merkwürdig
geformtes Gesicht; die obere Hälfte war viel breiter als die Wangenknochen und das Kinn, das
beinah spitz zulief. Er sah aus wie ein alter Boxer, dem man einmal zu oft den Kiefer ausgerenkt
hatte. Währenddessen ließ sich der Richter über einen groben Fehler der Polizei aus. Der
festnehmende Beamte hatte bei seiner Aussage vor Gericht erklärt, er habe den Angeklagten mit den
Worten begrüßt: »Hallo, Tommy, was ist denn hier los?« Mit dieser Aussage hatte er den
Geschworenen zu verstehen gegeben, dass Watkiss der örtlichen Polizei sehr gut bekannt war, was
durchaus ihr Urteil beeinflussen könnte. Der Richter ordnete deshalb an, die Geschworenen zu
entlassen.
»Klasse, Tommy!«, kam ein lauter Ruf von der Zuschauergalerie, der sofort durch einen wütenden
Blick des Richters zum Schweigen gebracht wurde. Rebus fragte sich, wo er diese Stimme schon mal
gehört hatte.
Als sich das Gericht erhob, ging Rebus ein paar Schritte vor, drehte sich um und sah zum Balkon
hinauf. Die Zuschauer waren ebenfalls aufgestanden, und in der vorderen Reihe sah Rebus einen
jungen Mann in Motorradkluft und mit einem Sturzhelm in der Hand, der grinsend zu Watkiss
blickte. Er hielt triumphierend eine Faust in die Luft, dann drehte er sich um und stieg die
Treppe zum Ausgang der Galerie hinauf. Es war Kenny, der Freund von Samantha. Rebus ging zu
Flight und Lamb zurück, die zusammenstanden und ihn neugierig beobachteten, doch Rebus wandte den
Blick zur Anklagebank. Der Ausdruck auf Watkiss' Gesicht war pure Erleichterung. DC Lamb hingegen
sah aus, als könnte er jeden Augenblick einen Mord begehen.
»Was diese Scheiß-Iren immer für ein Schwein haben«, fauchte er.
»Tommy ist genauso wenig irisch wie Sie, Lamb«, sagte Flight phlegmatisch.
»Wie lautete die Anklage?«, fragte Rebus, der immer noch durcheinander war wegen des
Zeitungsartikels, wegen Kennys Anwesenheit und dessen Verhalten. Der Richter verließ gerade durch
eine mit grünem Leder überzogene, gepolsterte Tür neben der Geschworenenbank den
Gerichtssaal.
»Das Übliche«, sagte Lamb, der sich rasch wieder beruhigte.
»Vergewaltigung. Als seine Alte abgekratzt war, brauchte er eine Neue, die für ihn auf den Strich
geht. Also versuchte er, irgendein Mädchen in seiner Straße zu überzeugen , dass sie damit
ein paar Mäuse verdienen könnte. Als das nicht funktionierte, flippte er aus und legte sie aufs
Kreuz. Dreckskerl. Wir kriegen ihn beim Wiederaufnahmeverfahren. Ich glaub immer noch, dass er
seine Alte abgemurkst hat.«
»Dann finden Sie den Beweis«, sagte Flight. »Im Übrigen gibt's da einen Police Constable, der
einen gehörigen Tritt in den Arsch verdient hat.«
»Yeah«, sagte Lamb und grinste böse bei der Vorstellung. Dann folgte er dem Hinweis und verließ
den Gerichtssaal auf der Suche nach dem unglückseligen PC Mills.
»Inspector Flight.« Es war der Vertreter der Anklage, der forsch auf sie zukam, Bücher und
Unterlagen unter den linken Arm geklemmt, die rechte Hand ausgestreckt. Flight nahm die
sorgfältig manikürte Hand und schüttelte sie.
»Hallo, Mr. Chambers. Das ist Inspector Rebus. Er ist von Schottland hierher gekommen, um uns bei
den Ermittlungen im Fall Wolfsmann zu helfen.«
Chambers wirkte interessiert. »Ach ja, der Wolfsmann. Ich freue mich schon darauf, in diesem Fall
die Anklage zu übernehmen.«
»Ich hoffe, dass wir Ihnen die Gelegenheit dazu verschaffen können«, sagte Rebus.
»Nun ja«, erwiderte Chambers, »es ist ja schon schwierig genug, so kleine Fische wie unseren
Freund da einzufangen.« Er warf einen Blick zurück zur Anklagebank, die jetzt leer war. »Aber wir
bemühen uns«, sagte er seufzend, »wir bemühen uns.« Dann hielt er inne und fügte mit gedämpfter
Stimme, direkt an Flight gerichtet, hinzu: »Checken Sie das mal, George, mir passt nicht, wenn
mir von meinen eigenen Leuten die Arbeit versaut wird. Okay?«
Flight wurde rot. Chambers hatte ihn in einer Weise heruntergeputzt, wie

Weitere Kostenlose Bücher