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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Muss es wirklich sein? Ja, es muss sein.
Aber es gab immer noch ein logistisches Problem.
»Das ist alles geregelt«, sagt die Stimme. »Wir haben gestern Abend mehrmals versucht, Sie
anzurufen, aber Sie waren nie da. Nehmen Sie das nächstmögliche Shuttle von Heathrow. In Glasgow
werden Sie mit dem Auto abgeholt und in die Stadt gefahren. Der Vertreter der Anklage schätzt,
dass er Sie gegen halb vier aufrufen wird. Es ist also Zeit genug. Mit ein bisschen Glück können
Sie heute Abend schon wieder in London sein.«
»Na toll«, sagt Rebus. Seine Stimme trieft nur so vor Ironie, dass die Worte kaum über die Lippen
kommen.
»Gern geschehen«, sagt die Stimme.
Er stellte fest, dass die Piccadilly Line nach Heathrow fuhr, und die U-Bahn-Station Piccadilly
Circus war direkt vor dem Hotel. Also fing alles ganz gut an, obwohl die Fahrt in der vollen
U-Bahn langsam und ermüdend war. In Heathrow holte er sein Ticket ab und hatte gerade noch Zeit,
in den Skyshop zu springen. Er nahm sich einen Glasgow Herald, dann sah er auf einem anderen
Ständer die Boulevardblätter: DAS GEHEIME LEBEN DES SCHWULEN WOLFSMANNS; KRANKER MÖRDER »BRAUCHT
HILFE« SAGT POLIZEI; SCHNAPPT DIESEN WAHNSINNIGEN.
Cath Farraday hatte ihre Sache gut gemacht. Er kaufte ein Exemplar von allen drei Blättern sowie
den Herald und ging in die Abflughalle. Nun, wo sein Gehirn funktionierte, fiel ihm auf, dass
überall um ihn herum Leute dieselben Überschriften und die dazugehörigen Geschichten lasen. Aber
würde der Wolfsmann die Geschichten sehen? Und wenn ja, würde er oder sie irgendwie darauf
reagieren? Verdammt, die ganze Sache könnte jeden Augenblick eine dramatische Wende nehmen, und
er saß hier und wartete darauf, vierhundert Meilen nach Norden zu reisen. Verflucht sei das
Justizsystem, die Richter, Anwälte und überhaupt. Der Fall Cafferty war vermutlich vorgezogen
worden, damit er nicht mit einem Golfspiel oder einem Schulsportfest kollidierte. Die Teilnahme
irgendeines verwöhnten Balgs beim Eierlaufen könnte letztlich der Auslöser für diese überstürzte
Reise sein. Rebus versuchte, sich zu beruhigen, atmete tief ein und wieder aus. Außerdem flog er
nicht gern, und das seit seiner Zeit beim Special Air Service (SAS). Dort hatte man ihn nämlich
aus einem Hubschrauber geworfen. Mein Gott! Das war nicht die richtige Methode, sich zu
beruhigen.
»Passagiere für den British Airways Super-Shuttle-Flug...« Die Stimme war ruhig und präzise und
löste einen Massenaufbruch aus. Die Leute standen auf, suchten ihr Gepäck zusammen und gingen auf
den genannten Ausgang zu. Welcher Ausgang? Er hatte die Ansage nicht ganz mitbekommen. War das
sein Flug? Vielleicht sollte er vorher anrufen, damit das Auto wirklich auf ihn wartete. Er
hasste Fliegen. Deshalb war er am Sonntag auch mit dem Zug gekommen. Sonntag? Und heute war
Mittwoch.
Er hatte das Gefühl, als sei bereits mehr als eine Woche vergangen, dabei war er nur zwei volle
Tage in London gewesen.
Boarding. Oh, Gott. Wo war sein Ticket? Gepäck hatte er keines, eine Sorge weniger. Die Zeitungen
versuchten wie wild, sich unter seinem Arm selbstständig zu machen, und drohten auf den Boden zu
fallen. Er schob sie wieder zusammen und drückte fest mit dem Ellbogen dagegen. Er musste sich
beruhigen, musste über Cafferty nachdenken und alles genau in seinem Kopf ordnen, damit die
Verteidigung keinen Schwachpunkt in seiner Geschichte fand. Halt dich an die Fakten, vergiss den
Wolfsmann, vergiss Lisa, Rhona, Sammy, Kenny, Tommy Watkiss, George Flight... Flight! Er hatte
Flight nicht Bescheid gesagt. Sie würden sich wundern, wo er war. Er musste anrufen, sobald er
gelandet war. Am besten würde er sofort anrufen, aber dann verpasste er am Ende noch das Shuttle.
Vergiss es. Konzentrier dich auf Cafferty. Seine Unterlagen würden für ihn bereitliegen, sobald
er ankam, damit er sie noch mal durchgehen konnte, bevor er in den Zeugenstand trat. Es gab doch
nur zwei Zeugen, oder?
Den verängstigten Wirt, den man mehr oder weniger gezwungen hatte, eine Aussage zu machen, und
Rebus selbst. Er musste überzeugend, selbstbewusst und glaubwürdig sein. Als er auf den Ausgang
zuging, erblickte er sich zufällig in einem mannshohen Spiegel. Er sah aus, als hätte er letzte
Nacht durchgemacht. Beim Gedanken an die vergangene Nacht musste er lächeln. Es würde alles gut
gehen. Lisa sollte er auch anrufen, bloß um zu sagen... was? Danke vermutlich. Nun die Rampe

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