Wolfsmale
leitet die Pressearbeit im Fall
Wolfsmann.«
»Ah«, sagte Chambers und ergriff kurz ihre Hand. »Die Frau, die für die reißerischen Schlagzeilen
heute Morgen verantwortlich ist?«
»Ja«, sagte Cath. Ihre Stimme hatte plötzlich einen weichen, femininen Unterton angenommen, den
Flight noch nie bei ihr gehört hatte. »Tut mir Leid, wenn die Ihnen das Frühstück verdorben
haben.«
Das Unmögliche geschah: Chambers Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Flight hatte ihn seit
Jahren nicht mehr außerhalb des Gerichtssaals lächeln sehen. Das war wirklich ein Morgen voller
Überraschungen. »Die haben mir nicht das Frühstück verdorben«, sagte Chambers. »Ich fand sie
äußerst amüsant.« Er drehte sich zu Flight und deutete damit an, dass Cath entlassen war.
»Inspector Flight, ich hab zehn Minuten Zeit für Sie, dann muss ich im Gericht sein. Oder sollen
wir uns lieber zum Mittagessen treffen?«
»Zehn Minuten sollten reichen.«
»Ausgezeichnet. Dann kommen Sie mit.« Er sah zu Lamb, der immer noch ein wenig schmollte, weil
Cath ihn brüskiert hatte. »Und bringen Sie Ihren jungen Mann mit, wenn's sein muss.«
Dann ging er mit großen Schritten und auf lauten Ledersohlen durch die Eingangshalle davon.
Flight zwinkerte Cath zu, dann eilte er hinter Chambers her. Lamb folgte ihm wütend und
schweigend. Cath grinste. Sie hatte Chambers' Darbietung genossen und amüsierte sich über Lambs
Unmut. Natürlich hatte sie schon von Chambers gehört. Seine Plädoyers galten als so ziemlich das
Überzeugendste, was es so gab, und er hatte sogar eine Schar von Anhängern, die man nur als
»Groupies« bezeichnen konnte, Leute, die zu einem Prozess gingen, egal, wie verwickelt und
langweilig er war, nur um Chambers' Schlussplädoyer zu hören. Ihre kleine Anhängerschaft von
Reportern machte dagegen nicht so viel her.
Rebus war also nach Hause abgehauen. Na dann viel Glück.
»Entschuldigen Sie.« Eine kleine, verschwommene Gestalt stand vor ihr.
Sie kniff die Augen so fest zusammen, bis sie nur noch Schlitze waren, und starrte auf eine Frau
mittleren Alters in einem schwarzen Umhang. Die Frau lächelte. »Sie gehören nicht zufällig zu der
Jury in Gerichtssaal acht?« Cath Farraday lächelte und schüttelte den Kopf. »Na schön«, sagte die
Gerichtsdienerin und eilte weiter.
Im Fachjargon sprach man von einer »hängenden Jury«, wenn die Geschworenen zu keiner Entscheidung
kamen. Doch es gab Gerichtsdiener, die nur zu gerne so manchen Geschworenen, hinter dem sie
herrennen mussten, hängen sehen würden. Cath drehte sich auf ihren spitzen Absätzen um und machte
sich auf den Weg zu ihrem Termin. Sie fragte sich, ob Jim Stevens sich überhaupt daran erinnern
würde, dass er mit ihr verabredet war? Er war ein guter Journalist, hatte aber manchmal ein
Gedächtnis wie ein Sieb, und zurzeit schien es besonders schlimm, da er gerade Vater wurde.
Rebus hatte in Glasgow noch Zeit totzuschlagen. Zeit genug, um die Horseshoe Bar aufzusuchen oder
durch Kelvinside zu schlendern oder sich sogar bis hinunter an den Clyde zu wagen. Zeit genug, um
einen alten Freund zu besuchen, vorausgesetzt, man hatte einen. Glasgow war dabei, sich zu
verändern. Edinburgh hatte in den letzten Jahren ziemlich Fett angesetzt, während Glasgow sich
eifrig fit gemacht hatte. Es hatte nun etwas Kraftvolles und Durchtrainiertes an sich, und an die
Stelle des betrunkenen Taumelns, das so lange Glasgows Bild in der Öffentlichkeit geprägt hatte,
war ein selbstbewusstes Schreiten getreten.
Doch die Veränderungen waren nicht nur positiv. Die Stadt hatte einiges von ihrem Charakter
verloren. Die schicken neuen Geschäfte und Weinbars, die hellen neuen Büroblocks, das alles hatte
etwas Gleichförmiges an sich.
Man konnte in jede andere wohlhabende Stadt der Welt reisen und würde genau die gleichen Gebäude
finden. Mit Glanz überzogene Uniformität.
Nicht dass Rebus traurig darüber war; alles war besser als jener Sumpf, der Glasgow in den
fünfziger, sechziger und frühen siebziger Jahren gewesen war. Und die Menschen waren mehr oder
weniger gleich geblieben: sie nahmen kein Blatt vor den Mund, hatten aber einen wunderbar
trockenen Humor. Auch die Pubs hatten sich nicht sehr verändert, selbst wenn ihre Klientel teurer
und modischer gekleidet sein mochte und auf der Speisekarte neben den traditionellen Gerichten
auch Chili oder Lasagne standen.
Rebus stand in einem Pub an der Theke, einen Fuß auf die polierte
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