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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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hinauf zu der schmalen Tür, die von einem lächelnden Steward und einer lächelnden Stewardess
flankiert wurde.
»Guten Morgen, Sir.«
»Guten Morgen.« Er sah, dass neben ihnen ein Stapel kostenloser Zeitungen lag. Da hätte er sich
ja ein paar Mäuse sparen können.
Der Gang war ebenfalls schmal. Er musste sich an Geschäftsleuten vorbeiquetschen, die Mäntel,
Aktenkoffer und Taschen in die Gepäckfächer über ihren Sitzen stopften. Er fand seinen
Fensterplatz, ließ sich darauf fallen und kämpfte mit dem Sicherheitsgurt, bis er ihn endlich
geschlossen hatte. Draußen war das Bodenpersonal immer noch beschäftigt. In der Ferne hob ein
Flugzeug elegant ab; das dumpfe Dröhnen war selbst hier noch zu hören. Eine mollige Frau
mittleren Alters setzte sich neben ihn, schlug ihre Zeitung so weit auf, dass die Hälfte davon
auf Rebus' rechtem Bein lag, und fing an zu lesen. Sie hatte ihn weder gegrüßt noch seine
Anwesenheit sonstwie zur Kenntnis genommen.
LMAA, Madam, dachte er bei sich, während er immer noch aus dem Fenster starrte. Doch dann gab sie
ein lautes »tsk« von sich, was ihn veranlasste, sich ihr zuzuwenden. Sie starrte ihn durch dicke
Brillengläser an und klopfte gleichzeitig mit einem Finger auf die Zeitung.
»Heutzutage ist niemand mehr sicher«, sagte sie, während Rebus den Zeitungsartikel überflog und
feststellte, dass es sich um eine abstruse Geschichte über den Wolfsmann handelte. »Niemand. Ich
lasse meine Tochter nachts nicht mehr raus. Um neun Uhr bist du zu Hause, hab ich ihr gesagt, bis
sie ihn geschnappt haben. Selbst dann kann man noch nicht sicher sein, ich meine, es könnte ja
jeder sein.«
Ihr Blick sagte Rebus, dass auch er nicht über jeden Verdacht erhaben war. Er lächelte
beruhigend.
»Ich wollte eigentlich gar nicht fliegen«, fuhr sie fort, »aber Frank - das ist mein Mann - hat
gesagt, es wär alles gebucht, und dann sollte ich auch fliegen.«
»Sie wollen sich also Glasgow ansehen?«
»Das weniger. Mein Sohn lebt dort. Er ist Rechnungsprüfer in der Ölindustrie. Er hat mein Ticket
bezahlt, damit ich sehe, wie gut es ihm geht. Ich mach mir Sorgen um ihn, so weit weg und alles.
Ich meine, Glasgow ist doch ein ziemlich raues Pflaster, oder? Das liest man doch ständig in der
Zeitung. Da könnte alles Mögliche passieren.«
Ja, dachte Rebus, immer noch lächelnd, so ganz anders als in London.
Es ertönte ein Geräusch wie von einer elektronischen Türklingel, und das Fasten-Seatbelts
-Zeichen ging neben dem No-Smoking-Zeichen an, das bereits leuchtete. Verdammt, Rebus hätte für
eine Zigarette einen Mord begehen können. Saß er im Raucher- oder im Nichtraucherteil? Er konnte
es nicht feststellen und konnte sich auch nicht erinnern, was er beim Einchecken verlangt hatte.
Durfte man heutzutage in Flugzeugen überhaupt noch rauchen? Wenn Gott gewollt hätte, dass wir in
siebentausend Metern Höhe rauchen, hätte er uns dann nicht längere Hälse gegeben? Die Frau neben
ihm sah aus, als hätte sie überhaupt keinen Hals. Der arme Serienkiller, der versuchen würde,
diesen Hals aufzuschlitzen.
Das war bösartig. Gott, verzeih mir. Zur Strafe begann er, der Frau aufmerksam zuzuhören, bis das
Flugzeug endlich startete und selbst sie gezwungen war, für ein oder zwei Sekunden den Mund zu
halten. Rebus nutzte die Situation, steckte seine Zeitungen in die Tasche des Sitzes vor ihm,
lehnte sich mit dem Kopf gegen die Rückenlehne und schlief sofort ein.

Von Old Bailey aus rief George Flight noch einmal in Rebus' Hotel an, wo man ihm nur sagen
konnte, dass Rebus am frühen Morgen »eilig aufgebrochen« sei, nachdem er sich erkundigt hatte,
wie man am besten nach Heathrow gelangte.
»Sieht aus, als hätte er die Fliege gemacht«, bemerkte DC Lamb. »Hat sich wohl durch unsere
absolute Professionalität abschrecken lassen.«
»Hören Sie auf, Lamb«, brummte Flight. »Ein bisschen mysteriös ist das allerdings schon. Warum
sollte er verschwinden, ohne einen Ton zu sagen?«
»Weil er ein Jock ist, bei allem Respekt, Sir. Er hatte vermutlich Angst, Sie würden ihm eine
Rechnung präsentieren.«
Flight lächelte höflich, war aber mit den Gedanken ganz woanders.
Gestern Abend war Rebus mit dieser Psychologin verabredet gewesen, dieser Dr. Frazer, und nun
hatte er Hals über Kopf London verlassen. Was war passiert? Flights Nase zuckte. Er hatte was für
gute alte Kriminalgeschichten übrig.
Er war im Gericht, um unter vier Augen mit Malcolm Chambers zu

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