Wolfsmondnacht (German Edition)
Hand abstreifend. »Was willst du noch von mir?«
»Dich.« Er legte all seine Sehnsucht und die Verlustgefühle, die sich in den letzten Jahren in ihm aufgestaut hatten, in seine Stimme.
Als es an der Tür klopfte, legte Céleste ihre Näharbeit beiseite und erhob sich. Wer wollte zu dieser späten Stunde Einlass? Sie betrat den Flur, nahm ihr Langmesser von der Kommode und näherte sich der Tür. »Wer ist da.«
» Bonsoir , Céleste.«
Sie erstarrte. Diese Stimme, so hatte sie geglaubt, würde sie in ihrem Leben niemals wieder hören. Es war nicht möglich. Er konnte es nicht sein. Sie hatte in all den Jahren gedacht, er wäre entweder tot oder sie für ihn gestorben.
»Ich verstehe, dass du wütend auf mich bist«, sagte er.
»Wütend? Enttäuscht, desillusioniert und verbittert.«
»Ich kann es dir nicht verdenken. Willst du mich einlassen?«
»Ich sollte es nicht tun. Bist du es wirklich?«
»Wer sollte ich sonst sein?«
Sie öffnete die Tür, hielt das Messer jedoch weiterhin einsatzbereit.
Mathis Leroux sah noch genauso aus wie damals, als wären seitdem nicht unzählige Jahre vergangen und als hätte er sie nicht verlassen. Wenn er sie mit diesem Unschuldsblick bedachte, sah er Jeanne schockierend ähnlich.
In diesem Moment hasste sie ihn und ihre eigene Schwäche. Sie kämpfte gegen die Anziehung an, die sie gegen ihren Willen noch immer für ihn empfand. Schuldgefühle gegenüber Donatien stiegen in ihr auf. Doch Céleste war gastfreundlich. Sie legte sogar das Messer auf die Kommode zurück.
» Bonsoir , komm doch herein.« Sie führte ihn in die Küche.
In ihr lieferten sich Freude, Misstrauen und Wut einen erbitterten Kampf. Ihre Knie wurden weich. Gerade rechtzeitig setzte sie sich ihm gegen über auf den Stuhl. Eine Vielzahl verwirrender Gedanken und Gefühle wanderten durch ihren Geist. Sie ließ ihren Blick über ihn gleiten.
»Du hast dich kaum verändert, nur dein Haar ist ein wenig länger.«
»Und du bist noch schöner geworden, Céleste, schöner noch, als in meinen Erinnerungen und meinen Träumen.« Schmeicheleien
-
damit hatte er sie damals schon immer betört. Heute würde er sie nicht mehr so leicht manipulieren.
»Was willst du?«
Er atmete hörbar ein. »Dich heiraten. Céleste, bitte …« Er hielt inne, als er ihr ins Gesicht sah.
Céleste starrte ihn an. Unbewusst klappte sie ihren Mund auf. Das konnte nicht wahr sein! Das gab es doch gar nicht! Sie schloss ihren Mund wieder und befeuchtete ihre Lippen. Ihr Mund war wie ausgetrocknet.
»Nach all den Jahren, in der du mich allein gelassen hast, mich und das Kind, kommst du einfach so, als wäre nichts geschehen wieder und willst mich heiraten? Warum jetzt? Warum nicht damals?« Allen Spott, alle Wut, all die Einsamkeit und Verzweiflung der vergangenen Jahre setzte sie in ihre Worte.
Mathis Leroux wirkte unsicher. »Es war meine Feigheit. Ich wollte nicht alles verlieren. Es war den Mitgliedern meines Volkes verboten, sich mit Menschen einzulassen. Die Strafe wäre Verbannung für zwanzig Jahre gewesen.«
»Und du entschiedest dich, lieber mich zu verlieren, als dein Volk. Einer für alle.«
Er sah sie eindringlich an. »Ich würde es rückgängig machen, wenn ich könnte und all die verlorenen Jahre zurückholen. Wenn ich von unserem Kind gewusst hätte …«
»Du hattest es so eilig, mich zu verlassen, dass ich es dir nicht mehr hatte sagen können.«
»Ich will euch wiederhaben, dich und das Kind. Mein Kind! Vertraust du mir nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wie könnte ich dir noch vertrauen?«
Mathis starrte sie entgeistert an. »Hast du einen anderen?«
»Das geht dich nichts an.«
»Wie heißt er? Ist es der Mann unter deinem Dach?«
»Du warst all die Jahre weg. Du hast keinerlei Ansprüche auf mich.«
»Auf dich vielleicht nicht, doch auf mein Kind.«
» Non! Du hast sie kein einziges Mal besucht. In all den Jahren warst du ihr kein Vater. Jetzt braucht sie dich auch nicht mehr. Warum sollte ich es zulassen, dass sie dich als Vater akzeptiert, nur damit du vielleicht aus einer plötzlichen Laune heraus wieder verschwindest?« Und ich brauche dich auch nicht mehr , fügte sie in Gedanken hinzu.
»Ich hatte keine Wahl. Unsere Verbindung war von meinem Volk nicht gern gesehen.«
Tränen traten in Célestes Augen. »Warum hast du dich dann überhaupt mit mir eingelassen? Warum? Weiß du nicht, wie schwer diese Jahre für mich waren?« Sie zitterte am ganzen Leib.
Er sah sie beschwörend an.
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