Wolfsmondnacht (German Edition)
der den loup-garous heilig ist«, sagte Pamina zu Jean-François. »Dort darf kein Blut vergossen werden. Die loup-garous wagen es nicht, dort einzudringen, selbst wenn sie das Haus fänden.«
»All die Jahre hast du dich dort versteckt?«
Sie nickte. »Lege es nicht als Feigheit aus. Für mein Volk bin ich eine Ausgestoßene. Ich wäre die legitime Herrscherin über unser Volk, wenn die Sache mit dem vermeintlichen Gattenmord nicht wäre. Daher hasst der amtierende König mich.«
Er hob eine Augenbraue. »Aber du hast deinen Mann doch nicht getötet, oder?«
»Selbstverständlich nicht. Du glaubst mir doch?« Unsicherheit lag in ihrer Stimme.
»Gewiss oder denkst du, ich würde mich sonst mit dir abgeben? Doch wenn du nicht als Herrscherin infrage kommst, warum bist du dann nicht von hier fortgegangen, nach all den Enttäuschungen?«
»Wegen Silvain, meinem Sohn.«
Jean-François starrte sie ungläubig an. »Du hast einen Sohn?«
»Ja, von Laurent, dem toten König. Silvain wäre der Erbe des Reiches, nicht Olivier. Noch ist Silvain zu jung, um es zu beanspruchen. Vielleicht plant Olivier, ihn zu töten. Ich hätte von hier fortgehen sollen, um Silvains Willen.« Sie hob die Hände vors Gesicht. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle.
»Scht.« Beruhigend streichelte er ihren Rücken.
Aus tränengeflutetem Gesicht blickte sie ihn an. »Doch willst du wissen, warum ich geblieben bin?«
»Wegen mir?«
»Das auch, doch vor allem wegen Olivier. Er ist ein gefährlicher Irrer, ein Fanatiker und ein Menschenhasser, doch seine Anhänger erkennen das nicht. Ich sehe es als meine letzte Pflicht Laurent gegenüber, Olivier zu beobachten. Dabei fand ich heraus, dass er plante, dich zu fangen, doch ich kam zu spät.« Sie senkte den Kopf.
»Es ist in Ordnung. Wir beide haben es geschafft.« Nachdenklich blickte er auf ihren silberblonden Schopf. Bilder von ihrer Wolfsform traten in seine Gedanken.
»Wie ist es, wenn ihr euch zum ersten Mal verwandelt?«
Sie hob den Kopf und sah ihn an. Der Ausdruck in ihrem Gesicht hätte erstaunter nicht sein können.
»Es ist verwirrend. Man hat wenig Kontrolle über sich selbst. Warum fragst du?«
Er sah sie an. So viele Jahre waren vergangen. War sie noch immer dieselbe? Konnte er ihr bedingungslos vertrauen? Doch wenn nicht ihr, wem sonst? Zudem kannte er niemanden, der sich auf dem Gebiet so gut auskannte wie sie.
»Wegen meiner Nichte. Ich glaube, sie ist ein loup-garou .«
»Du hast eine Nichte?«
»Die Tochter meiner Schwester.«
»Das rotblonde Weib mit dem brünetten Mädchen?«
»Du kennst sie?«
»Ich habe sie gesehen. Ich dachte, sie wäre dein Weib. Wurde deine Nichte angefallen?« Sowohl ihr Tonfall als auch ihr Gesichtsausdruck ließen ihn auf aufrichtige Sorge schließen.
» Non .«
»Dann muss sie so geboren worden sein. Wer war ihr Vater?«
»Das will meine Schwester nicht verraten, doch sie wurde mit einer Art von Fell geboren.«
»Wenn wir zu Mann oder Weib reifen, so erwacht auch der loup- garou in uns. Die meisten haben erstmal Erinnerungslücken, wenn das geschieht.«
»Jeanne ist verschwunden und niemand weiß wohin. In einer der Nächte der Kindermorde verschwand sie.«
»Du befürchtest, sie ist tot oder hat sonstwie mit den Morden zu tun?«
Er nickte. »Ich kann es nicht ausschließen.«
»Sie muss damit nichts zu tun haben. Es gibt hier viele Erschaffene, die ihre Kräfte und Leidenschaften weniger unter Kontrolle haben, als die neu erwachten Geborenen.«
»Wovon sprichst du?«
»Von Menschen, die in loup-garous umgewandelt wurden. Sie könnten gefährlich sein. Ich sah einige in den letzten Wochen durch den Wald streifen.«
»Einige?«
»Ja. Irgendjemand erschafft loup-garous und zwar viele davon. Wir sollten es deiner Schwester sagen. Sie stirbt sicherlich vor Sorge um ihr Kind. Wenn deine Nichte ein loup-garou ist, so werden sie ihr nichts tun. Wir werden sie finden.«
»Wenn du sie beruhigen kannst, umso besser. Sie ist manchmal so impulsiv.«
Sie stupste ihn leicht mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »So wie du. Wie ist es dir ergangen in all den Jahren?« Ihr Finger wanderte zu seiner Schulter, um dort mit einer seiner Haarsträhnen zu spielen.
»Ich habe Geschäfte gegründet und wieder geschlossen, mit Wein gehandelt und vieles mehr getan. Ich habe Paris verlassen, lebte in Siena und zuletzt in Padua, nur um wieder nach Paris zurückzukehren.«
»Paris, deine Liebe.«
» Non , du bist meine Liebe.«
»Kein anderes
Weitere Kostenlose Bücher