Wolfsmondnacht (German Edition)
immer wieder aufgeschoben.
»Setzt Euch bitte«, sagte Jean-François und rückte einen Stuhl zurecht. Monsieur Trébuchet ließ sich darauf nieder. Er war groß und hager, seine langen Beine fanden kaum Platz unter dem Tisch.
»Wann gedenkt Ihr, Eure Schulden abzubezahlen?«
Jean-François ließ sich auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Tisches sinken. »So bald wie möglich.« Tatsächlich hatte er die meisten Schulden, die auf dem Bordell aufgenommen waren, bereits abbezahlt, doch leider noch nicht alle.
»Ich brauche ein Datum, Monsieur.«
»Ich kann nur in Raten zahlen. Wie wäre es mit zehn oder zwölf?«
»Bevor ich mich darauf einlasse, möchte ich wissen, wie Eure Geschäfte stehen.«
»Noch schmale Gewinne, doch die Tendenz ist steigend. Sofern die Gewinne schneller steigen, als erwartet, würde ich die Schulden natürlich früher zurückzahlen. Es ist auch nicht in meinem Interesse, mehr Verzugszinsen zu zahlen als nötig.«
»Soso.« Zwischen Trébuchets Augen bildete sich eine steile Falte. »Ihr werdet verstehen, dass ich Eure Bilanzen sehen muss, bevor ich einer Ratenzahlung zustimme.«
»Wenn Ihr zu viel auf einmal verlangt, so geht mein Geschäft womöglich zugrunde und Ihr seht gar nichts.«
»Die Bilanzen, Monsieur Merdrignac.« Trébuchet beugte sich vor. Ein verärgerter Ausdruck lag in seinen Augen.
Widerwillig erhob Jean-François sich und holte die Unterlagen aus dem Schreibschrank. Er bewahrte immer Kopien der wichtigsten Unterlagen im Bordell auf und die Originale im Büro seines Hauses in La Mouffe.
Er reichte sie Monsieur Trébuchet. »Hier, Monsieur Trébuchet.«
»Merci.« Trébuchet beugte sich über die Papiere und sah sie sich interessiert an. Nach einiger Zeit reichte er Jean-François die Papiere zurück und nickte.
» Bon , ich stimme zu. Ich bin mit einer Zahlung in zehn Raten einverstanden. Allerdings sollten diese pünktlich erfolgen.« Trébuchet sah ihn streng an.
»Gewiss doch, Monsieur.«
Monsieur Trébuchet erhob sich und wandte sich zum Gehen.
Jean-François lächelte, obwohl ihm gar nicht danach zumute war. Er begleitete Trébuchet zur Tür. » Bonne nuit , Monsieur.«
Trébuchet erwiderte den Nachtgruß und ging. Jean-François sah ihm nach, bis er hinter der Häuserecke verschwunden war.
Dieser Gläubiger war nur einer von vielen und es würde nicht die erste Verhandlung über Ratenzahlung sein. Jean-François wusste noch nicht, wie er die benötigten Gewinnzuwächse bewerkstelligen sollte.
Das Haus in La Mouffe konnte er nicht verkaufen, weil es sein Geschäftssitz war. Hätte er früher gewusst, dass das Bordell geschlossen werden würde, so hätte er das andere Haus nicht erworben. Andererseits war er auf das Haus in La Mouffe angewiesen, denn das Haus in der Rue Froit-Mantel konnte er nicht zu seinem Geschäftssitz machen, weil ihm noch der Ruf des Bordells anhaftete. Am liebsten würde er dieses alte Puff verkaufen, doch allein der Gedanke an den Eid, den er Suzette in einer schwachen Stunde leistete, hielt ihn davon ab. Jean-François fluchte. Er konnte Suzette nicht einmal mehr zur Hölle wünschen, denn dort befand sie sich bereits.
Am 24. März 1561 fand Jean-François einen Brief in der Post vor. Er trug Célestes Handschrift. Jean-François brach das Siegel und faltete den Briefbogen auseinander.
Lieber Jean-François,
ich hoffe sehr, Du bist wohlauf und Deine Geschäfte laufen gut. Tante Camille macht ihre Migräne sehr zu schaffen. Aber Du weißt ja, dass sie Tag und Nacht jammert.
Die Arbeit in der Spinnerei ist schwer, doch behandeln sie mich dort besser als in der Färberei. Mir ist so schwindelig in der letzten Zeit. Tante Camille denkt, ich arbeite zu viel. Ich befürchte jedoch, ich bekomme ein Kind. Tatsächlich weise ich die Anzeichen dafür auf. Ich mag gar nicht daran denken, was dies für mich bedeutet. Ich bin so verzweifelt. Es tut mir leid, wenn ich dich damit behellige, doch Du bist der einzige Mensch, dem ich mich wirklich anvertrauen kann. Ich glaube jedoch, Camille ahnt etwas.
Ich würde mich freuen, wenn Du mich bald besuchen könntest.
In Sehnsucht,
Deine Céleste.
Jean-François’ Hände zitterten, als er den Brief weglegte. Hoffentlich war es noch nicht zu spät. Er musste so schnell wie möglich zu ihr. Überstürzt brach er auf.
Jean-François hielt Céleste den Becher entgegen. Der Abtreibungstrank darin war grünlich und roch leicht bitter. Ihm war unwohl bei der Sache, doch er wollte seiner
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