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Wolfsmondnacht (German Edition)

Wolfsmondnacht (German Edition)

Titel: Wolfsmondnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Lynn Morgan
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Der Aufwind kam plötzlich und zog ihn mit sich in die Höhe des Nachthimmels. Mit ausgebreiteten Armen tanzte mit dem Sturm, den er entfachte. Den Wind im Haar, brauste er dem Mausoleum entgegen. Dies war dem Gefühl von Freiheit näher, als er ihm je zuvor gekommen war.
     
    Jean-François erkannte Antoine aus der Höhe. Er wirkte auf ihn um Jahre gealtert, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Tiefe Linien zogen sich um seinen Mund und um seine Augen lagen Schatten. In seinen Händen hielt er ein Grabgebinde und eine Kerze in einem Glas, die er zum Friedhof trug. Jean-François kannte den Weg, den er wählte. Er selbst war ihn einmal gegangen, doch niemals wieder, seit der Nacht ihrer Bestattung.
    Vor Valeries Grab blieb Antoine stehen. Er entzündete ihr ein Licht, das er auf den Grabstein stellte, und legte das Gebinde daneben nieder.
    Jean-François wartete, bis er fertig war. Als Antoine den Friedhof wieder verließ, empfing er ihn an der Pforte. Antoines Gesichtszüge verhärteten sich augenblicklich, als er ihn sah.
    Jean-François grüßte ihn und trat näher.
    »Bonsoir. Was möchtest du von mir?«, fragte Antoine.
    »Mit dir sprechen.«
    »Sie sagen, du hast sie getötet.«
    »Ich weiß nicht, wer es war. Ich weiß nur, dass ich es nicht war und Jacques ein Lügner ist.«
    »Ich kenne Jacques seit über zwanzig Jahren. Er würde mich nicht belügen.«
    Jean-François sah ihn betroffen an. »Glaubst du wirklich, dass ich es war?«
    Antoine wirkte müde. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll und was nicht. Jacques diente bereits meinem Vater. Er war stets loyal.«
    »Das heißt, du glaubst ihm mehr als mir?«
    »Ihn kenne ich länger.«
    »Freundschaft hat nichts damit zu tun, wie lange man sich kennt.«
    »Freundschaft beweist sich durch Zeit.«
    »Du zweifelst an mir?«
    »Ich würde dir gerne glauben, doch es ist nicht allein Jacques, der gegen dich spricht. Auch Valeries langjährige Dienerin Arianna hält dich für den Mörder ihrer Herrin.« Er sah Jean-François eindringlich an, doch er hielt dem Blick stand. »Warum bist du geflohen, wenn du unschuldig bist?«
    »Ich vertrage die Sonne nicht.«
    »Du verträgst die Sonne nicht.« Antoine lachte freudlos. »Und ich vertrage Rechnungen nicht. Nur interessiert das meine Lieferanten nicht. Dieselben alten Ausreden. Was ist mit dir los?«
    »Ich kann es dir nicht sagen.«
    »Vertraue mir«, sagte Antoine. »Vertrauen ist die Grundlage jeder Freundschaft.«
    »Warum vertraust du mir dann nicht, wenn ich sage, dass ich sie nicht getötet habe? Sind wir überhaupt noch Freunde?«
    »Kann ich mit dem Freund sein, der meine Schwester getötet hat?«
    »Du glaubst es also wirklich?«
    »Sie sagten, du wolltest sie zu deiner Geliebten machen. Sie war reich, meine Schwester.« Er sah Jean-François eindringlich an. »Und du hoch verschuldet.«
    »Es gibt nichts, was ich zu meiner Entlastung sagen kann. Du würdest es mir ohnehin nicht glauben, solange ich keine Beweise habe, nicht wahr?« Jean-François trat näher an ihn heran, doch Antoine wich zurück.
    »Es ist besser, ich gehe jetzt.«
    »Vertrauen«, sagte Jean-François. »Du sprachst von Vertrauen und …« Er ergriff Antoines Arm. Dieser schrak zusammen, woraufhin er ihn losließ. »Du fürchtest mich, Antoine. Ist es nicht so? Du hast Angst, dass ich auch dich töte. Doch ich tue dir nichts, ebenso wenig wie ich Valerie etwas getan habe. Ich war es nicht, Antoine. Glaube ihnen nicht mehr als mir. Bitte.«
    Antoine sah ihn lange an. Auf seinen Zügen spiegelte sich sein innerer Kampf wider. Er schüttelte er den Kopf. »Ich kann dir nicht glauben, Jean-François, nicht nach Valeries Tod. Es war nicht eingebrochen worden. Kein Fenster und keine Tür zeigte Spuren gewaltsamen Eindringens. Nur du hattest einen Schlüssel.«
    »Jacques hatte einen Schlüssel.«
    »Es ist besser, ich gehe jetzt, bevor du noch mehr Ausreden erfinden musst. Au revoir .« Antoine wandte sich um und ging schnell davon. Jean-François sah, dass seine Hand auf dem Griff seines Langmessers lag.
    Dies war also das Ende ihrer Freundschaft. Jean-François bedauerte es zutiefst, doch vermutlich war es besser so. Seine Nähe war gefährlich geworden und dies lag nicht allein daran, dass er ein Bluttrinker war. Er würde sich fortan von Antoine fernhalten.
    Gewiss spielte dabei auch Stolz eine Rolle. Doch vor allem tat er es um Antoines Willen und für Juliette und ihr Kind. So blieb er vor den Toren des Friedhofs stehen, bis

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