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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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mich, ob Rodolfos Erblindung so frisch war, dass er sie bisweilen vergaß und einfach spontan handelte. Weshalb sonst sollte er versuchen, einen Irren zu verfolgen, obwohl er keine Chance hatte, ihn einzuholen? Und was das betraf, warum hatte er sich überhaupt erst auf einen Kampf mit dem Typen eingelassen?
    Bestimmt nicht wegen mir.
    „Ich bin nicht hilflos“, erklärte Rodolfo sanft. „Ich will nicht, dass du das von mir denkst.“
    Sein Gesicht war ernst; seine Augen hinter der verdammten Sonnenbrille so unergründlich wie immer. Ich bewegte mich auf ihn zu, entschlossen, diese Barriere aus dem Weg zu räumen, um ein und für alle Mal zu sehen, was dahinter lag.
    Die Tür flog auf. „Polizei! Heben Sie die Hände.“
    Rodolfo und ich taten wie befohlen, nur dass seine dummerweise voller Blut waren. Den Beamten genügte ein Blick, und sie schnappten ihn sich.
    Eine halbe Stunde später hatten wir die Sachlage geklärt. Es war mir gelungen, die Cops davon zu überzeugen, meinem Boss die Handschellen abzunehmen. Sie hatten ihn in einen anderen Raum gebracht. Die Standardprozedur bei einer Befragung.
    Da weder ich noch er einen einzigen Kratzer aufwiesen und nirgendwo im Haus ein blutiges Messer aufzufinden war, blieb ihnen offensichtlich keine andere Wahl, als uns die Geschichte abzukaufen. Das Problem war nur, dass der Irre nach wie vor verschwunden war.
    Nun, es gab zwar eine blutige Spur, was half, aber keinen verletzten Mann. Zumindest nirgendwo in plausibler Entfernung.
    „Der muss mit irgendwelchen Drogen voll gewesen sein, um mit einem Messer in der Brust zu türmen“, folgerte einer der Beamten. „Bestimmt wird er in einer der Notaufnahmen auftauchen.“
    „Wahlweise im Leichenschauhaus“, entgegnete ein anderer.
    Ich hatte diese Unterhaltung schon früher geführt, oder zumindest eine sehr ähnliche. Sullivan hatte einen Mann angeschossen, der daraufhin wie ein Wiesel davongeflitzt war, ohne dass man – meines Wissens – je wieder etwas von ihm gesehen oder gehört hatte.
    „Könnte einer von Ihnen Detective Sullivan verständigen?“, bat ich.
    „Nicht nötig.“ Sullivan trat in die Bar. „Ich bin schon hier.“
    Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, trug er nicht Anzug und Krawatte, sondern Jeans in Kombination mit einem hellgrünen Button-Down-Hemd. Er wirkte gleichzeitig leger und tröstlich. Stark, verlässlich, normal. Obwohl ich mich nicht auf dieselbe Art zu ihm hingezogen fühlte, wie er sich offenbar zu mir, war ich mehr als froh, ihn zu sehen.
    „Ich habe den Anruf über Funk gehört“, fuhr er fort.
    Manche Polizisten waren nie außer Dienst. Es überraschte mich nicht im Geringsten, dass Sullivan einer von ihnen war.
    „Bin so schnell gekommen, wie ich konnte“, setzte er hinzu. „Was ist passiert?“
    Ich erzählte ihm alles. Na ja, alles bis auf den Teil, in dem ich die Altarfiguren eingesteckt hatte. Das hatte ich auch schon bei meiner Befragung unter den Tisch fallen lassen. Wenn ich herausfinden wollte, was sie bedeuteten, durfte ich nicht zulassen, dass sie in der Asservatenkammer des New Orleans Police Department landeten.
    Die Beamten hatten mich durchsucht, die Figuren entdeckt und sie keines zweiten Blickes gewürdigt. Sie mussten annehmen, dass die winzigen Holztiere meine Glücksbringer waren. Ich hatte sie ohne weitere Erklärung zurück in meine Tasche gestopft.
    Sie hatten auch den Altar im ersten Stock nicht erwähnt. In dieser Stadt betrachtete man dergleichen vermutlich als Einrichtungsgegenstand.
    Sullivan nahm meine Hand. „Ich bin froh, dass es dir gut geht.“
    „Ich auch.“ Ich drückte seine Finger.
    Ein Schlurfen ließ mich aufsehen; Rodolfo stand in der Türöffnung. Obwohl mir klar war, dass er uns nicht sehen konnte, entzog ich Sullivan schuldbewusst meine Hand.
    „Detective“, begrüßte Rodolfo ihn.
    Meine Brauen zuckten nach oben. Wie stellte er das bloß an? Aber wahrscheinlich war es gar nicht so mysteriös, wie ich dachte. Bestimmt hatte er Sullivan und mich im anderen Zimmer gehört.
    „Wurde Ihnen ausgerichtet, dass ich nach Ihnen gesucht habe?“ Sullivan bedachte mich mit einem Blick, der eindeutig war.
    Ich zuckte die Achseln. „Er ist eben erst zurückgekommen.“
    „Von wo?“
    Rodolfo schaute leicht rechts an Sullivans Schulter vorbei. „Stehe ich unter Arrest?“
    „Bislang noch nicht.“
    Rodolfo lächelte, aber es war ein Ausdruck, dem ohne die Unterstützung seiner Augen nichts Freundliches anhaftete. „Dann glaube ich

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