Wolfspfade 6
die sie begehrte.
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, dann ließ er sie wieder sinken. „Ich meinte, du und ich, wir können nicht …“
„Wir können schon“, widersprach ich.
„Sollten nicht. Ich bin nicht …“ Er brach ab.
„Du bist was nicht, John?“
„Gut für dich. Ich bin für niemanden gut.“
„Da bin ich anderer Meinung“, wiederholte ich.
„Du kennst mich nicht.“
„Dann lass mich dich kennenlernen.“
„Nein.“
Ich weiß nicht, warum mich das verletzte. Ich hatte nicht vor zu bleiben; ich bezweifelte, dass er mit mir kommen würde. Das hier war keine Liebesbeziehung, und daran wollte ich auch nichts ändern.
Ich hatte etwas versprochen – mir selbst, wenn nicht sogar Katie: dass ich mit meinem Leben nicht weitermachen würde, solange ich ihres nicht zurückgeholt hatte. Ich konnte dieses Versprechen nicht einfach in den Wind schlagen und mir mit diesem Mann, selbst wenn er mich darum gebeten hätte, eine Zukunft aufbauen.
„Na schön“, sagte ich, erschrocken registrierend, dass meine Stimme zitterte. Ich verstummte, räusperte mich, hob das Kinn und starrte ihm direkt in die … Sonnenbrille. „Wir fangen nichts Festes an. Wir ficken nur.“
Das Wort schmeckte eklig auf meiner Zunge, aber er hatte mir wehgetan, und ich wollte es ihm mit gleicher Münze heimzahlen.
Er murmelte etwas auf Spanisch, wirkte jedoch weder schockiert noch getroffen. Meine Wut verrauchte.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen wegen …“ Ich brach ab, unsicher, wie ich das Thema zur Sprache bringen sollte.
Er neigte den Kopf zur Seite. „Wegen was?“
„Mir.“
„Aber das tue ich, chica . Sehr sogar.“
Ich begriff nicht, wie er behaupten konnte, dass ich attraktiv war, dass er sich Sorgen um mich machte, nur um anschließend den Körper, den ich ihm anbot, abzulehnen. Ich wusste, dass ich nie für die Vogue oder Victoria’s Secret modeln würde, er hingegen wusste das nicht. War ich im Bett eine solche Niete gewesen?
„Ach, vergiss es. Ich bin nun mal nicht so vollkommen wie …“
„Wie wer?“, fiel er mir ins Wort.
„Niemand Bestimmtes. Ich bin mir sicher, dass die Frauen, mit denen du normalerweise …“ Ich winkte ab, bevor ich realisierte, dass er mich ja nicht sehen konnte. „… ähm, schläfst. Bestimmt sind sie fantastisch.“
„Du glaubst also, ich schlafe mit vielen?“
„Warum solltest du nicht? Am ersten Abend dachtest du, ich würde dir wegen Sex nachstellen.“
„Ich schlafe mit keiner anderen.“
Mein Kopf zuckte nach oben. Zum hundertsten Mal wünschte ich mir, seine Augen sehen zu können. „Tust du nicht?“
„Nein. Ich war schon sehr lange nicht mehr mit einer Frau zusammen.“
„Warum nicht?“
„Weil ich es nicht verdiene, glücklich zu sein.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wie viele Male hatte ich das Gleiche von mir gedacht?
„Jeder verdient es, glücklich zu sein“, log ich.
„Nein“, insistierte er barsch. „Das stimmt nicht.“
Da ich seine Meinung insgeheim teilte, diskutierte ich nicht weiter, sondern schnitt endlich das Thema an, das mich schon beschäftigte, seit wir übereinander hergefallen waren. „Du schienst neulich Abend durcheinander zu sein, ich meine, nachdem wir … du weißt schon.“
Er lächelte still. „Ja, ich weiß.“
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, wiederholte ich. Sein Lächeln wich einem Ausdruck der Verwirrung. „Ich, äh, ich nehme die Pille“, vollendete ich schnell.
Ich hasste diese Unterhaltung.
„Das ist es nicht, weswegen ich mir Sorgen mache.“
„Ich habe auch keine ansteckenden Krankheiten“, beteuerte ich weiter. „Ich hatte nie zuvor …“
„Was, noch nie?“, murmelte er und zog eine dunkle Braue hoch.
„Nein, das meine ich nicht. Ich war natürlich keine Jungfrau mehr.“
Er brummte etwas, das ich nicht verstehen konnte und auch gar nicht verstehen wollte.
„Ich war noch nie mit jemandem intim, der kein Kondom benutzt hat.“
„Ah.“ Nun dämmerte es ihm. „Du sprichst von den modernen Plagen.“
„Was?“
„Hast du nie von der Theorie gehört, dass die sexuell übertragbaren Krankheiten unserer Zeit dem Schwarzen Tod der vergangenen entsprechen?“
„Da muss ich passen.“
„Jedenfalls musst du dir da bei mir keine Gedanken machen. Man hat mich ziemlich gründlich durchgecheckt, als das hier“, er deutete auf seine Augen, „passierte. Mir fehlt nichts, was ein wenig Sehvermögen nicht heilen könnte. Ich habe seither
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