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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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vom Weg ab und
verschwanden im Wald. Little Elk Woman sammelte Feuerholz und bereitete ihnen dann ein weiches Bett aus Zweigen und Blättern, über das sie ihr Büffelfell legte. Bevor sie einander liebten, flüsterte sie: »Ich bin froh, dass du zurückgekommen bist. Seven Horses Bruder und die anderen ziehen bald gegen die weißen Männer in den Krieg, und es hätte mir nicht gefallen, wenn sie mit deinem Skalp zurückgekommen wären. Wenn ich dann mit den anderen Frauen um die Skalps der Besiegten getanzt hätte, hätte ich auch deinen Skalp auf einen Stock spießen und vor Freude springen müssen.«
    Es waren morbide Gedanken. Es war Zeit, dass sie ihm Freude bereitete und sich von ihm Freude bereiten ließ. In der Zukunft blieb noch genug Zeit, um an den Tod zu denken -
     
    Grumiaux verriet Scott nichts. Aber als der Eisenbahner seinem Blick auswich, wusste Scott, dass er richtig vermutet hatte. Er sah auch, dass Grumiaux’ Pferd nicht vor der Wäscherei angebunden war. Frische Hufabdrücke führten aus dem Chinesenviertel hinaus nach Osten. Ungewöhnlich für diese Uhrzeit.
    Es war nicht schwer, Zekes Spur zu folgen; und Scott wusste nur zu gut, wo Little Elk Womans Dorf lag. Nichts würde diese Erinnerung aus seinem Gedächtnis radieren können.
    Zwanzig Meilen östlich der Stadt bogen die Spuren in den Wald ab. Scott band sein Pferd an einem Baum fest und folgte ihnen vorsichtig. Er wusste, dass er zu viel Lärm machte, dass er auf Zweige trat, im Schlamm ausrutschte. Er beschloss, Zekes Rat zu folgen, und kündigte sich einfach an, indem er rief: »Zeke! Zeke!«
    Der Wald verschluckte seine Worte.
    Die Spuren waren jetzt schwerer zu erkennen, außer an jenen Stellen, wo der Schnee noch nicht geschmolzen war. Er marschierte tiefer in den Wald.
    Einen Augenblick lang blieb er stehen. Schritte? Ein Zweig, der unter einer Tierpfote knackte?

    Er schaute auf. Zu spät! Jemand sprang von einem Ast auf ihn herab. Arme schlagen sich um seinen Hals. Er stolperte. Er versuchte, das Wesen auf seinem Rücken zu packen. Da war ein Messer. Sein Angreifer war leicht, ungewöhnlich leicht - vielleicht ein Junge. Er griff nach seinem Colt, wirbelte herum und sah, wer es war. Sie lag auf dem Boden, bebend vor Zorn. Das Messer glänzte im Tau.
    »Little Elk Woman?«
    »Du ihn nicht anfassen«, warnte sie ihn. »Ich töten. Ich töten!«
    »Ich …«
    Sie stürzte sich wieder auf ihn. Schlug mit blanken Fäusten auf ihn ein. Er packte ihre Arme. Sie wand sich, kreischte, versuchte ihn zu beißen. »Ich werde dir nichts tun«, sagte er leise. »Wirklich nicht.«
    Dann hörte er Zekes Stimme: »Wichakte shni yo.«
    Sie ließ schluchzend von ihm ab.
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll dich nicht töten. Sie hätte es sonst getan, irgendwann, solang’ sie noch atmet.« Zeke kam hinter einem Baum hervor. Er zielte mit einer Winchester auf Scott. Aber Scott ließ seinen Colt nicht fallen.
    »Gib mir die Waffe, mein Junge. Nicht, dass ich dir nicht trauen würde, aber wir beide kämpfen nicht mehr auf derselben Seite.«
    Scott sagte: »Ich habe Befehl von Major Scott …«
    »Ich gehe nicht zurück. Mir is’ wieder eingefallen, wie ich zum ersten Mal diese Indianerfrau gesehen hab. Wegen ihr hätte ich fast diesen Schweinehund Grumiaux abgeknallt. Die Indianer haben was, das wir zivilisierte Leute nich’ mehr haben, und ich will es wiederfinden.«
    »Aber ich habe meinen Befehl, Zeke!« Er hielt seinen Colt auf seinen Freund gerichtet, aber er brachte es nicht über sich abzudrücken.
    »Dann wirst du mich töten müssen, mein Sohn. Du kannst ja
sagen, ich hätte mich der Verhaftung widersetzt. Niemand wird schlecht über dich denken.«
    Der Scout kam auf ihn zu. Die Frau stand neben ihm. Scott sah seinen alten Freund an. Sein Gesicht war wettergegerbt, aber seine Augen schienen jung zu sein. »Ich kann dich nicht töten, Zeke!«, sagte er. »Aber …«
    »Die Armee schlägt mir auf den Magen, Scott. Dieses letzte Massaker war zu viel für mich. Als ich Little Elk Woman gesehen hab und gehört hab, dass sich ihr Volk auf einen Krieg vorbereitet, hab ich gewusst, zu wem ich gehöre. Dieses Land hatte einmal eine Seele. Aber Eisenpferde haben keine Seele. Gewehre haben keine, und die Armee kämpft ohne Seele. Wenn du mich tötest, dann zeigt das bloß, wie schnell ein gutherziger Junge wie du in diese große, seelenlose Maschine gezogen wird … und jede Freundschaft vergisst.«
    »Was soll ich denn tun?«, schrie Scott hilflos. »Soll

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