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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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fünfzig?« Ein Champagnertropfen rann von ihrer Lippe und verschmierte einen Schönheitsfleck, der tags zuvor noch nicht dort gewesen war.
    Claggart pfiff durch die Zähne und erklärte: »Es ist mir eine Ehre, Madam, mit einer so beherzten und unerschrockenen Dame Geschäfte zu machen.« Dann warf er einen Blick auf seine Taschenuhr.
    »Wir spielen bis zum Morgengrauen«, erklärte Chandraputra. »Es sei denn, einer von uns bekommt … wie sagt man? Muffensausen.«
    Pater Alexandras legte schweigend Geld auf den Tisch. »Was für ein kräftiger Bursche, dieser Buffalo Bill«, bemerkte die Baronin. »Wie schade, dass er uns in Ogllala schon wieder verlassen musste. Glauben Sie, dass wir ihn jemals wiedersehen werden? Er strahlt so eine rohe Faszination aus … einen direkt animalischen Magnetismus. Wir hätten ihn für … unsere Zwecke rekrutieren sollen.«
    »Baronin! Sie lassen es in Ihrer Erregung an Diskretion mangeln!
«, fiel ihr der Astrologe ins Wort. Aus irgendeinem Grund war er erschrocken.
    Die Baronin kicherte wie eine Hexe.
    Teddy streckte seinen Kopf noch weiter vor. Er erkannte die Karten an winzigen Unregelmäßigkeiten, so wie Claggart es ihn gelehrt hatte. Er musste lächeln. Es ging um Tausende von Dollars in diesem Spiel, aber alle Spieler schienen zu bluffen. Das erforderte Nerven, vor allem, da jeder wusste, dass mindestens ein Spieler falschspielte. Teddy musste sie einfach bewundern, wie sie dort saßen und gepflegt miteinander plauderten, als würde all dieses Geld nicht die geringste Rolle spielen.
    »Nun«, sagte Claggart, »Sie haben wirklich Mut und Sportsgeist bewiesen, das muss ich Ihnen zugestehen. Aber ich kann mich nicht dazu überwinden aufzudecken, deshalb muss ich noch einmal um hundert Dollar erhöhen.«
    Noch einmal rollten fünf goldene Doppeladler auf den Tisch. Was hatte das zu bedeuten? Claggart schien alle Vorsicht vergessen zu haben. Es war, als wäre es ihm gleichgültig, wie dieses Spiel endete. Etwas bahnte sich an, etwas Ernstes. Er konnte es fast riechen. Das war sehr merkwürdig, es roch ein bisschen wie Hundepisse.
    Plötzlich schienen Chandraputra und die Baronin gleichzeitig zu erstarren, Sie schnüffelten kurz, beinahe wie Hunde, die eine frische Witterung aufgenommen haben. Teddy kroch weiter vor.
    »Wir müssen das Spiel beenden«, sagte die Baronin gleichmütig. »Ich fürchte, es ist etwas dazwischengekommen.«
    »Geben Sie auf?«, fragte Claggart.
    »Das macht keinen Unterschied«, antwortete die Baronin, erhob sich und warf ihre Karten auf den Tisch.
    Der indische Astrologe tat es ihr gleich. Sie flüsterten einander etwas in einer fremden Sprache zu. Deutsch, vermutete Teddy. Der Negerknabe ging in den nächsten Wagen voraus,
zusammenhanglos plappernd. Die anderen folgten ihm auf dem Fuß, nur Claggart, Teddy und der Priester blieben zurück.
    Irgendwoher, vielleicht aus der dritten Klasse, drang der Schrei einer Frau.
    Dann hörte man Schüsse.
    Teddy stand auf. Claggart schaute sich verunsichert um und zuckte dann mit den Achseln. »Schätze, dann hab ich gewonnen«, beschloss er und begann, allerdings ohne alle Würde, das Gold zusammenzustreichen.
    Da meldete sich Pater Alexandras zu Wort: »Sie hätten noch warten sollen, bis ich mein Verslein aufsage. Ich möchte sehen, Mr Claggart.«
    Verwirrt deckte Claggart seine Karten auf. Er hatte nur ein Paar Achter. In seiner Panik betätigte er versehentlich den Mechanismus, und drei Asse kamen aus seinem Ärmel geschossen.
    »Ich nehme an, wir können diese da unberücksichtigt lassen?«, fragte Pater Alexandros scheinheilig und spielte mit seinem Bart. »Ich habe ein Paar Neuner.« Mit einer eleganten Bewegung sammelte er einen Teil der Münzen ein und begann sie in seiner Robe zu verstauen.
    »Einen Augenblick!« protestierte Claggart. »Glauben Sie bloß nicht, sie kämen mit ihrer Betrügerei durch, nur weil sie eine Robe tragen! Ich habe gesehen, dass Sie diese Neuner aus der Hand gezaubert haben …«
    »Das macht kaum noch einen Unterschied«, beschied ihm Pater Alexandras. »Immerhin werden wir angegriffen.«
    Fensterglas klirrte, und eine Kugel pfiff durch den Salonwagen.
    »Verdammt! Runter!«, brüllte Claggart und tauchte unter den Spieltisch.
    »Diese Kugeln machen mir nichts«, entgegnete der Priester gelassen. Trotzdem ließ er den größten Teil des Geldes auf dem Tisch liegen, drehte sich um und verschwand.
    Teddy krabbelte ans nächste Fenster. Im Licht des Halbmondes
sah er Reiter -

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