Wolfsruf
Chinesen.
Major Sandersons Eskorte war bereits im Morgengrauen aufgestanden, um den Wagen zu beladen; Scott Harper beaufsichtigte die Arbeiten. Der Major war in der Nacht verschwunden … irgendwann, gemeinsam mit der Russin. Zeke und Grumiaux und die beiden Frauen waren ebenfalls nicht wieder aufgetaucht, und Scott hatte nicht gewagt, ihnen zu folgen. Er hatte die Nacht in demselben Saloon verbracht, in den er damals Natalia Petrowna gebracht hatte, in der Nacht der Wölfe. Diesmal hatte er sein Bett mit einem Sergeanten und zwei Goldgräbern teilen müssen, die nach Alkohol stanken und ihre Schuhe auch im Bett nicht auszogen. Es war keine angenehme Nacht gewesen.
Er hatte erwartet, Zeke hier anzutreffen, aber eine Stunde nach Sonnenaufgang war der Scout immer noch nicht zurückgekehrt.
Er achtete kaum auf die Soldaten, die den Karren mit frischen Vorräten beluden. Sanderson wird jeden Augenblick auftauchen, befürchtete er, und Zeke ist nicht da, und der Major wird unangenehme Fragen stellen.
In eben diesem Augenblick erschien Sanderson. Er kam die Hauptstraße heraufmarschiert. Wo war Natalia? Worüber hatten sie sich unterhalten, und wohin waren sie verschwunden? Die Eifersucht setzte Scott zu, aber er riss sich zusammen. »Ich nehme an, wir sind bald fertig zum Abmarsch, Harper?«, wollte er wissen.
»Jawohl, Sir.«
Sanderson schaute sich um, und seine Miene verdüsterte sich. »Es sieht so aus, als würde uns ein Mann fehlen, Mister! Ihr Freund, der Scout Sullivan, glaube ich.«
»Ich habe ihn seit letzter Nacht nicht gesehen, Major.«
Der Major warf einen fragenden Blick in die Runde, und die anderen Männer bestätigten, dass sie ihn ebenfalls nicht gesehen hätten. »Halten Sie es für möglich, dass der Mann desertiert ist? Diese Indianersquaws können einen zivilisierten Menschen manchmal fast verhexen. Ich hoffe sehr, dass Ihrem Freund das nicht widerfahren ist, Harper.«
»Ich weiß es nicht, Sir.« Jetzt war er froh, dass Zeke ihm nichts verraten hatte.
»Ich nehme an, dass Sie die Wahrheit sagen, Captain«, erklärte Sanderson. »Trotzdem möchte ich, dass Sie ihn finden. Bestimmt kennen Sie seine Lieblingsplätze; wenn er bloß betrunken irgendwo herumliegt, dann werden Sie wahrscheinlich am besten wissen, wo. Finden Sie ihn, Harper, und verhaften Sie ihn; danach schließen Sie zu uns auf. Sobald Sie im Fort sind, werden wir geeignete Disziplinarmaßnahmen ergreifen.«
Scott salutierte. Er wusste, dass Zeke eine folgenschwere Entscheidung getroffen hatte, als er die Indianerin hereinkommen sah. Wenn Zeke tatsächlich desertiert war und Scott ihn fand
und zurückbrachte, dann stand die Strafe schon fest: Tod durch den Strang. Warum riskierte er das?
Sanderson gab inzwischen den anderen Männern Anweisungen, bellte Befehle, ließ sie schneller laufen. »Ich nehme an, er ist im Hause des Eisenbahners«, erklärte Scott. »Im Chinesenviertel. Es wird nur ein paar Minuten dauern.« Der Major grunzte lediglich, und Scott wandte sich ab, stieg auf sein Pferd und ritt bergab in Richtung Chinesenviertel.
Sie hatten Deadwood mitten in der Nacht verlassen. Wenigstens brauchten sie nicht zu Fuß zu gehen; Grumiaux hatte ihnen ein Pferd überlassen. Es wäre nicht klug gewesen, hätte Zeke versucht, sein eigenes Pferd aus dem Mietstall zu holen.
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte Zeke zu Little Elk Woman. Sie lächelte still in sich hinein und fasste seinen Mantel mit beiden Händen. Die Straße war dunkel; nur manchmal schien der Halbmond zwischen den dichten Bäumen hindurch, die den Weg bergab säumten.
Sein Lakota ist eingerostet, dachte sie, aber vielleicht habe ich mich in ihm getäuscht; sein Herz ist bei unserem Volk, nicht bei den Washichun. »Wie seltsam«, erklärte sie ihm. »Ich kam, um einen Ehemann zu warnen … und jetzt kehre ich mit einem anderen Mann zu meinem Volk zurück, einem, den ich nie wiederzusehen glaubte!«
»Ich habe dich nie vergessen«, gestand Zeke. »Und ich war sehr wütend, dass du ihn mir vorgezogen hast. Und als er dich verließ, hast du nicht einmal nach mir gesucht, du hast dich gleich diesem Seven Horses in die Arme geworfen …«
»Ich wollte nicht, dass man sagt, ich würde mein eigenes Volk verachten«, antwortete Little Elk Woman. »Außerdem hat er vier Pferde für mich geboten. Vor allem der Appaloosa ist sehr schön; wenn du ein Tipi für uns beide gebaut hast, werde ich ihn dir schenken.«
Kurz vor der Morgendämmerung bogen sie
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