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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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dort sah, war nicht mehr menschlich - die Augen waren feuerrot wie die eines Werwolfs, die Lippen in unzähmbarem Hass verzerrt. Wir verwandeln uns alle in Bestien, dachte er, innerlich sind wir alle Bestien, egal, was wir uns einreden, wir sind nichts als Tiere, voll brennendem Zorn. Der Soldat grinste und entblößte geifernde Fangzähne.
    Teddy zerschoss die feixenden Lippen, und als sich der Rauch verzog, sah er den Kieferknochen lose im Gelenk hängen und das Gesicht schmelzen und den Kopf auseinanderbrechen wie ein weiches Ei. Teddy rannte, lud wieder, bestieg das erstbeste Pferd, das ihm über den Weg lief, rollte den toten Indianer vom Pferderücken, sodass er in den Schlamm stürzte, ritt Sanderson hinterher -
    - in vollem Galopp, denn Sandersons Pferd schien den Himmel selbst erklimmen zu wollen. Sanderson lächelte versonnen, schien das Gemetzel um ihn herum überhaupt nicht wahrzunehmen - las seelenruhig in einem ledergebundenen Buch, beleuchtet von dem Feuer speienden Himmel.
    Er blickte auf, als Teddy ihn angriff. »Nanu, was gibt es denn, junger Mann?«, fragte er. »Wissen Sie nicht, dass der Tod unausweichlich ist. Aber Sie sind ja nur ein schwachsinniges Halbblut, zwischen Scylla und Charybdis, zwischen Vergangenheit und Zukunft gefangen … Können Sie nicht begreifen, dass ich nicht Ihr Todfeind, sondern einfach eine Kraft der Geschichte bin?«
    »Ich habe Claggart getötet. Ich kann auch Sie töten, Sanderson,
das steht fest.« Teddy feuerte. Die Kugel schien an einem unsichtbaren Schild abzuprallen.
    »Sie haben Claggart nicht getötet. Claggart kann nicht sterben … er lebt in mir. Man muss kein Werwolf sein, um die Bestie in seinem Inneren zu kennen. Ah, Sie hätten die Tierfrau sehen sollen, als ich sie liebte, bis sie starb, dann würden Sie verstehen. Kein Monster ist übernatürlich … das wahrhaft Monströse lebt in uns. Der Mensch, mein armer Freund, ist eine gefallene Kreatur.« Er pochte auf das ledergebundene Buch. Erstaunt stellte Teddy fest, dass es eine Bibel war.
    Erinnerungen jagten ihm durch den Kopf: Claggart grinsend, grinsend, als er ihn mit Blei vollpumpte, grinsend, Blut auf dem Herbstgras und -
    »Er ist tot, er kann mir nichts mehr anhaben.« Aber Teddy spürte, dass Wahrheit in dem lag, was Sanderson gesagt hatte.
    »Manchmal, mein Freund, braucht man zwei zum Träumen … Helden und Schurken … Licht und Schatten.« Wind kam auf und blies Sandersons Hut davon, und darunter befand sich das verschorfte Gewebe. Sein ganzes Gesicht schien sich plötzlich abzuschälen. Zwischendurch sah Teddy den blanken Schädel aufblitzen. Würmer krochen aus den Augenhöhlen. Vielleicht ist das nicht Sanderson, durchfuhr es ihn, vielleicht ist das nur ein Monster, das sich der Junge erträumte. Vielleicht kann ich ihn gar nicht besiegen. Der Wind wurde stärker. Pflasterte ihre Gesichter mit Laub. Bäume und Himmel weinten Blut, und die Felsen erhoben sich -
    »Es ist mir egal, wie stark Ihr Hass ist. Sie werden sie nicht erreichen, es sei denn, sie töten mich zuerst.«
    »Dann werde ich Sie töten«, sagte der Traum-Sanderson; sein Ross stieg auf die Hinterfüße, schnaubte Frost und Feuer. Er gab ihm die Sporen. Zog seinen Säbel und -
    Teddy sprang! Der Säbel verfehlte ihn um Haaresbreite, als er auf den Hals von Sanderons Pferd sprang und der Dunkelheit ins Angesicht blickte und -

    Die Erde wölbte sich und bäumte sich auf! Bäume knickten ab, neue sprossen aus dem Boden! Zweige schabten aneinander vorbei! Teddy sah, wie sein Indianerpferd von einem feurigen Abgrund verschlungen wurde.
    Er schlug Sanderson gegen den Brustkorb, presste ihn in den Sattel, während das Pferd immer weiter bergauf galoppierte und der flüssige Fels sich unter seine Hufe schob.
    »Es ist sinnlos, mich zu bekämpfen … die Bestimmung des Weißen Mannes wird sich in diesem Land erfüllen. Es gibt keinen Platz mehr für Menschen wie Sie … es ist Schicksal, einfach Schicksal …« Sie hatten einander an der Gurgel gepackt, während der Wind an ihnen zerrte. Teddy tat alles weh, aber er durfte auf keinen Fall loslassen - die Finger des Majors an seiner Kehle waren knochenhaft, er schnappte nach Luft -
    Durch den Nebel, durch die Todesschreie, drang das Trompetensignal zum Angriff.
    »Es wird keinen Mondtanz geben«, prophezeite der Major. Sein Gesicht war weggeschmolzen, und ein Totenkopf starrte ihn mit glühenden Augen an.
    Teddy wand sich aus dem Griff des Majors und hieb mit seinem Revolver immer

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