Wolfsruf
Säbeln auf, das Quietschen der Trompete akzentuierte das Dröhnen der Erde, ätzender Qualm stieg auf - viel zu schnell waren sie in Schussweite. Gewehrfeuer - dumpfe Schläge im monotonen Grau. Der Regen enthüllte die bemalten Gesichter der Crow-Späher, weiß und rot und gelb und schwarz. Pfeile schwirrten durch die Luft! Teddy feuerte immer wieder, feuerte, bis ihm der Rauch Tränen
in die Augen trieb. Er schoss einem Späher das Gesicht weg, aber dessen Pferd galoppierte unaufhaltsam weiter, und - eine Kugel jaulte, streifte seine Wange, ohne dass er den Schmerz spürte.
»Iron Hand …« Aber der Häuptling lag nicht mehr neben ihm.
Er sah Iron Hand aus der Deckung treten, als seien die Weißen überhaupt nicht da, und einen Fuß auf einen Baumstumpf stützen. Er wusste, dass Iron Hand geschworen hatte, zu sterben und so viele Soldaten in den Tod mitzunehmen wie möglich, weil es ihn beschämte, was sie in Winter Eyes getan hatten. Teddy kauerte jetzt allein hinter dem Felsen. Andere hatten sich über die Simse weiter oben verteilt. Pfeile regneten vom Himmel. Einer traf einen Soldaten in die Brust. Er wand sich, zuckte und sackte vornüber auf seinem Pferd zusammen. Teddy sah, wie ein Mann von Pferdehufen zertrampelt wurde. Ein abgetrennter Arm wirbelte durch die Luft. Und die Erde selbst griff in den Kampf ein - mit brennenden Steinen, die von oben herabfielen.
Albtraum und Realität vermischten sich an hundert Stellen. Manchmal regnete es Feuer und Blut. Manchmal stürzten regelrechte Wolkenbrüche herab, die die Pfeile von ihrem Ziel ablenkten und den Boden unwegsam machten, sodass die Pferde zu schlittern begannen und mit ihren Köpfen und Leibern gegen die Felsen stießen. Tote lagen zu Dutzenden im Schlamm. Und immer mehr kamen nach. Teddy feuerte und lud neu und feuerte und lud neu.
Und immer mehr kamen.
Sie waren abgestiegen und kämpften nun Mann gegen Mann mit den Indianern, Säbel und Bajonett gegen steinerne Tomahawks. Mit dem Kriegsschrei »Huka hey!« auf den Lippen sprangen Iron Hands Männer aus den Baumwipfeln. Teddys Munition ging langsam zur Neige. Aber er hatte noch eine Waffe in Reserve - er hatte zwar die geliebte Merwyn and Hulburt
mit den Silberkugeln Speranza zugeworfen, aber er besaß noch einen Colt.
Er schaute nach unten, entdeckte, dass Iron Hand umzingelt war. Er wirbelte im Kreis herum, metzelte die Soldaten nieder, die versuchten, sich ihm zu nähern. Sie sprangen vor und versuchten, ihn mit ihren Bajonetten aufzuspießen. Er lachte sie aus, lachte ihnen seine Verachtung und seinen Todesmut ins Gesicht. Töten war unwichtig. Er hatte mindestens fünfzig Gegner getötet. Er würde ehrenvoll sterben.
Vielleicht ist auch für mich die Zeit gekommen, um zu sterben, dachte Teddy. Er überlegte, ob Nita wohl immer noch in jenem schlecht beleumdeten Haus in Lead auf ihn wartete. Er hatte gehört, dass sie ein Kind bekommen hatte; rothäutig wie der Vater, sagte man.
Er schleuderte das Gewehr beiseite, zog seinen Colt und sprang in Iron Hands Kreis. Er erledigte sechs Soldaten, genug, um ihnen eine kurze Atempause zu verschaffen. Er drehte sich zu Iron Hand um, während er neu lud. »Ich schneide dich los, Bruder«, bot er an.
»Nein!« Iron Hand wirbelte so schnell herum, dass er die Lederschnur immer weiter um den Baumstamm wickelte, aber das schien ihn nicht zu stören. Neue Soldaten kamen auf sie zu, sprangen über die Leichen ihrer Kameraden. »Befrei mich nicht«, erwiderte Iron Hand. »Heute ist ein guter Tag zum Sterben. Aber befreie dich selbst.« Und er nahm sein Lied wieder auf, während er unverdrossen weiter auf die Soldaten einschlug.
Teddy entdeckte Major Sanderson, hoch aufgerichtet auf seinem Pferd sitzen und unbeirrt bergauf reiten - selbst wenn der Fels keinem Pferdehuf mehr Halt geben konnte, selbst wenn nur dünne Luft ihn trug. Er dachte: Iron Hand hat die Wahrheit gesagt - sein Hass verleiht ihm die Macht zu träumen.
Iron Hand wirbelte immer schneller herum. Teddy hörte
über dem Kriegsgeschrei Knochen brechen. Noch einmal jagte er seine Hand sechsmal über den Hahn seines Colts. Soldaten stürzten zu Boden. Er kämpfte sich durch seine Gegner. Andere rammten jetzt ihr Bajonett in Iron Hands Leib. Sie lachten. Klebriges Blut spritzte Teddy ins Gesicht. Wenn die Bajonette herausgezogen wurden, hörte man Fleisch reißen. Iron Hands Miene zeigte Verachtung, als er mit dem Gesicht in den Schlamm stürzte. Teddy schaute dem Soldaten in die Augen. Was er
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