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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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dachte.«
    Lächelnd bestellte Vishnevsky eine weitere Runde. Die Getränke wurden von der weltberühmten Opernsängerin serviert, die mehrere Aufgaben zu haben schien. Inzwischen hatten sich
ein paar Zuschauer um ihren Tisch aufgebaut. Er stürzte die giftige Flüssigkeit mit einem Schluck hinunter, zur großen Erheiterung der Goldgräber, die sich um sie versammelt hatten.
    »Sie betrügen!«, erklärte Claggart schließlich. »Die Karten sind gezinkt!«
    »Geben Sie mir einfach das Zimmer«, sagte Vishnevsky, »und die Sache ist erledigt.«
    Wutentbrannt donnerte Claggart die Fäuste auf den Tisch. Die Karten flogen zu Boden. Claggart beugte sich hinunter und begann, unter dem Stuhl herumzusuchen. Vishnevsky merkte, dass etwas an dem Mantel zupfte, den er über den Stuhl gehängt hatte. Er schaute hin und sah eine Hand in der Innentasche herumfingern. »Sie wollen meine Börse stehlen!«, rief er empört aus und riss den Mantel weg. Geldscheine flatterten durch den Raum, und Münzen fielen klimpernd zu Boden.
    Claggart war nur eine Sekunde lang irritiert. Dann zog er seinen Derringer aus dem Ärmel und schrie: »Passen Sie auf, was Sie sagen, Mister! Oder Sie sind ein toter Mann!«
    Vishnevsky blieb keine Zeit zu reagieren. Er hatte ebenfalls eine Waffe, irgendwo in den Taschen - eine russische Smith and Wessons. Verzweifelt suchte er danach.
    Ein Schuss knallte.
    Vishnevsky ließ alles fallen, was er in den Händen hatte. Er wunderte sich, dass er keinen Schmerz spürte. Erst nach einem kurzen Augenblick wurde ihm klar, dass er gar nicht getroffen war - dass Claggart nicht einmal abgedrückt hatte. Claggart starrte ungläubig auf seine Hand. Ein Fleischbatzen fehlte um den Knöchel seines Zeigefingers, und Blut sprudelte heraus. Sein Derringer war quer über den Tisch geflogen und lag am Boden. Die Flasche mit Claggarts Floccinaucinihilipilificator war kaputt. Ein ekliger Gestank lag in der Luft. Der Geruch war atemberaubend - und dann hörte er einen Schrei, eher tierisch als menschlich, und er wusste, dass sie gekommen war.

    »Natalia …« Im selben Moment sah er sie in einer entfernten Ecke des Saloons stehen. War er tatsächlich so in dieses lächerliche Kartenspiel versunken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie hereingekommen war? Ihre Augen hatten bereits Wolfsfarbe angenommen. Die Transformation hatte also schon begonnen, aber sie war ganz in Pelz und Rauch gehüllt, sodass es niemandem aufgefallen war. Neben ihr standen ein Kavallerie-Offizier in seiner Ausgehuniform und einige andere Menschen. Der Schütze kam zu ihnen, und Vishnevskys Cousine folgte ihm, darauf achtend, dass sie nicht in den Lichtkegel der Saloonlampen trat. »Danke«, sagte Vishnevsky zu seinem Retter. »Ich bin …«
    »Ich weiß: Valentin Nicolaievich. Ihre Cousine hat mir von Ihnen erzählt. Es ist gut, dass wir einander begegnet sind.« Er sprach mit leichtem französischen Akzent. »Ich bin Claude-Achille Grumiaux. Dies ist mein Freund Zeke Sullivan; bei ihm sind Lieutenant Scott Harper, Mrs Bryant und natürlich Ihre Cousine.« Zu Claggart sagte er verächtlich: »Geben Sie ihm den Zimmerschlüssel. Nach allem, was Sie ihm angetan haben, ist das das Mindeste, Sie billiger Schlangenölschacherer. Und ich hätte gute Lust, Sie alles Geld zurückgeben zu lassen, um das Sie ihn betrogen haben.«
    Claggart warf einen Schlüssel auf den Tisch und verschwand, nicht ohne einen Blick auf Mrs Bryant zu werfen, wie Vishnevsky registrierte; vielleicht war es pure Lust, vielleicht taxierte er bereits ein neues Opfer.
    »Sind Sie ein … Revolverheld?«, fragte Vishnevsky.
    »Kaum«, verneinte Grumiaux, »obwohl es in einer so unzivilisierten Gesellschaft wie der unseren immer gut ist, seine Treffsicherheit zu schulen. Aber weit gefehlt, Sir; ich bin ein Eisenbahner, und im Augenblick vermesse ich Land für die Fremont, Elkhorn and Missouri Valley Railroad. Deshalb wusste ich sofort, wer Sie waren, nachdem Ihre Cousine mir Ihren Namen verraten hatte. Sie stehen im Dienst dieses österreichischen
Grafen, nicht wahr? Der so viel in die Eisenbahngesellschaft investiert hat.«
    Also hatten die Investitionen des Grafen doch mehr Aufsehen erregt, als er gehofft hatte. Er würde sich mit diesem Mann unterhalten müssen. Sobald die dringendste Angelegenheit - Natalia - erledigt war.
    »Wir sollten miteinander reden …«, sagte Grumiaux.
    »Ja. Aber erst muss ich …« Der Alkohol ließ ihn lallen.
    »Natürlich. Natalia Petrowna, bonne

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