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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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gehen, um mir einen doppelten Whisky zu bestellen.«
    Scott war ein bisschen schockiert, dass sie das ausgerechnet am Grab ihres Mannes sagte. Aber Zeke schien kein bisschen überrascht. »Heute ist ein besonderer Tag, Mrs Bryant«, erklärte er ihr. »Was Sie durchgemacht haben, reicht für zehn Jahre. Ich schätze, wir sollten Sie einfach zu dem Saloon bringen, in dem Scott und ich übernachten. Außerdem …« Er zog einen Flachmann aus seiner Jacke und nahm einen Schluck, »… wartet dort jemand auf uns. Ein faszinierender Mensch. Und, um zur Sache zu kommen, es könnte sich für Sie lohnen, Claude Grumiaux, den Eisenbahner, kennenzulernen.« Scott fand es ungehörig, dass Zeke über die Möglichkeit sprach, einen Mann zu treffen, wo Eddie kaum unter der Erde war, aber der Witwe schien das nichts auszumachen. Vielleicht war sie der Meinung, dass sie jetzt reich genug war, um selbst die Puppen tanzen zu lassen.
    Plötzlich wurde Scott gewahr, dass sie Natalia allein zurücklassen würden. Er wandte sich zu ihr um und sagte: »Und was
ist mit Ihnen, Madam? Es ist nicht gut für eine Dame, hier allein herumzustehen, nicht mal in einer Kirche. Bestimmt wird einer der Goldgräber Sie belästigen …«
    »Mein Cousin wird bald kommen und mich holen, da bin ich ganz sicher.«
    »Wo ist denn dieser Cousin?«, fragte Zeke. »Er hat nicht mehr Verstand als ein Schlangenarsch … verzeihen Sie bitte den Ausdruck … wenn er eine Dame hier ganz allein lässt.«
    »Er ist im … Diamond Spur Saloon. So heißt es, glaube ich.«
    »Na, wenn wir nicht genau dorthin wollen!«, rief Zeke aus. »Kommen Sie mit uns, Madam. Wenn Ihr Cousin genauso fremd hier ist wie Sie, dann hat er inzwischen bestimmt sein letztes Hemd verspielt. Es ist meine Christenpflicht, dass ich ihn vor dem Kartenspiel und den, äh, Damen beschütze, die dort arbeiten.« Er drehte sich zu Scott um und zwinkerte ihm zu.
    Scott entfuhr ein Seufzer der Erleichterung. Er durfte die Gesellschaft dieser rätselhaften, schönen Frau noch etwas länger genießen, und es war ihm erspart geblieben, selbst fragen zu müssen.
    »Sie sind nicht ein sehr förmliches Volk«, sagte Natalia. »Das mir gefällt an Ihnen.« Und sie hielt ihm ihren Arm hin, damit er sie geleiten konnte.
    Als sie ihn berührte, fühlte Scott wieder das Brennen. Es war noch stärker geworden; nur die Höflichkeit verbot es ihm, sich loszureißen.
    »Bitte, wir müssen uns beeilen«, drängte sie. »Vielleicht ist schon zu spät.«
    Der erdige Waldgeruch drang wieder in seine Nase. Er musste beinahe würgen. Er rutschte im Schnee aus. Sie hielt ihn. Der Griff ihrer Hand, die so schmal und zerbrechlich wirkte, war fest wie der eines Mannes. Die Sonne war inzwischen fast untergegangen, und in ihren Augen glänzte ein hartes, unnatürliches
Licht. Er hielt den Blick fest auf den Schlamm gerichtet, während er Natalia um die Wagenspuren und die Pferdeäpfel herum auf die andere Straßenseite führte.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte sie wieder. Ihre Stimme klang metallisch rau, und als er endlich zu ihr aufsah, glaubte er hinter den elegant geschminkten Lippen Fangzähne glitzern zu sehen.
     
    Im Lauf des Spiels wurde Vishnevsky klar, dass Cordwainer Claggart falschspielte. Er starrte so angestrengt auf den Rücken von Vishnevskys Karten, und er schien Vishnevskys Blatt zu kennen. Irgendwann ertrug er es nicht länger, zum Narren gehalten zu werden. Er war zu wütend, um noch an Natalia zu denken, und der scheußliche Klapperschlangenwhisky ließ seinen Kopf dröhnen. »Ich habe den Verdacht, dass Sie mit einem gezinkten Blatt spielen«, sagte er. Sein Englisch wurde mit zunehmender Trunkenheit schlechter.
    »Na, es ist aber sehr unhöflich, so was mitten bei einer freundschaftlichen Runde Black Jack zu sagen«, antwortete Claggart. »Hat man keine Manieren da, wo Sie herkommen?«
    »Bestehe darauf! Wir nehmen meine Karten!« Er fischte in seiner Manteltasche danach. Er war auf die Situation vorbereitet, denn der Graf hatte darauf bestanden, dass Vishnevsky Spielkarten mit in die Wildnis nahm - die natürlich ebenfalls gezinkt waren. Er warf sie auf den Tisch und funkelte Claggart an, bis der Mann sie zögernd zusammenschob und zu mischen begann. Vishnevsky entdeckte, dass Siebzehn und Vier kindisch leicht war, wenn man die Karten seines Gegners kannte, und er war zu betrunken, um noch vorsichtig zu spielen.
    Claggart begann zu verlieren. »Sie sind nicht so leicht zu kriegen, wie ich

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