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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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nuit .« Grumiaux verbeugte sich tief vor Natalia, dann bahnte Vishnevsky sich einen Weg durch die Schaulustigen. Ebenezer, der Barkeeper, führte ihn zu einer Treppe hinten im Saloon und versprach, einen Boten zur Kutschstation zu schicken, der das Gepäck holen sollte.
    »Er soll es einfach vor der Tür stehen lassen«, ordnete Vishnevsky an. »Auf gar keinen Fall darf jemand den Raum betreten.«
     
    Scott und die Witwe Bryant sprachen kaum. Die Witwe hatte bereits zwei Gläser geleert und befasste sich mit einem dritten. Scott war in Gedanken bei der russischen Frau. Er fühlte sich von ihr angezogen, obwohl sie einander noch nicht einmal eine Stunde kannten. Das hatte etwas mit der Wolfsvision zu tun, die Scott während des Massakers gehabt hatte inmitten von Rauch und Blut und Schnee - und mit den seltsamen Worten in der Sioux-Sprache, die Scott unwillkürlich ausgesprochen hatte und die Zeke ihm nicht übersetzen wollte.
    Scott starrte nachdenklich in sein Glas. Die beiden anderen Männer unterhielten sich angeregt. Sie waren alte Freunde, aber Scott war Grumiaux noch nie zuvor begegnet. Sie unterhielten sich über einen alten Streit. Anscheinend war Grumiaux früher Mal mit Zekes Frau durchgebrannt. Oder es war andersherum gewesen. Jedenfalls hatte es sich um eine Indianerin gehandelt.

    Je mehr Scott über die russische Frau und die Wolfsfrauen im Wald nachdachte, desto verwirrter wurde er. Ihn bedrängte ein unbekanntes, primitives Gefühl, dem er sich nicht stellen wollte. Stattdessen beschloss er, sich ins Gespräch einzumischen. Und so sagte er, als einen Augenblick lang Stille herrschte: »Das war ein seltsamer Zufall, nicht wahr? Ich meine, dass Sie schon von dem Russen gehört hatten.«
    »Eigentlich nicht«, antwortete Claude Grumiaux. »Ich bin ihm schon seit Omaha auf den Fersen. Ich habe gewusst, dass ich ihn hier treffen würde.«
    Das verwirrte Scott noch mehr.
    Aber Grumiaux erklärte es ihm. »Dieser Graf in Österreich hat eine Menge Geld in die Eisenbahngesellschaft investiert. Das ist an sich nicht weiter erstaunlich; immer mehr Goldsucher strömen ins Territorium, und eine Zweigstrecke von Omaha in die Black Hills, auf der sich die Gefahren der Kutschenfahrt von Cheyenne nach Deadwood umgehen lassen, wäre bestimmt ein gewinnträchtiges Unternehmen. Wir legen die Geleise, so schnell wir können, auch wenn der Winter uns die Arbeit erschwert … Aber unser Graf will nicht nur eine Beteiligung am Gewinn. Er scheint auch Einfluss nehmen zu wollen. Und er scheint gar keinen Wert darauf zu legen, dass die Arbeiten möglichst schnell weitergeführt werden. Im Gegenteil, er verzögert sie sogar. Weiß der Graf etwas, was wir nicht wissen? Und wenn ja, wie ist es möglich, dass er in Österreich davon erfahren hat? Deshalb hat mich die Gesellschaft losgeschickt. Ich soll Freundschaft mit ihm schließen.«
    »Dieser Russe und seine Cousine sind also … Spione?«, fragte Scott. Es überraschte ihn nicht mehr, dass jemand solche Anstrengungen unternahm, um an Gold zu kommen. Denn er hatte Eddie Bryants Leichnam gesehen, steif gefroren und mit goldgefüllten Taschen. »Glauben Sie, die beiden führen nichts Gutes im Schilde?«

    »Vielleicht. Ich habe keine andere Erklärung«, antwortete der Eisenbahner. »Außer, vielleicht, schwarze Magie.«
    Aus irgendeinem Grund ließ dieses Wort Scott schaudern.
     
    Vishnevsky verriegelte die Tür. Dann zog er eine Silberkette aus dem Saum seines Mantels.
    »Ich lass mich nicht anketten!«, protestierte Natalia. Aber ihre Stimme verlor bereits ihren menschlichen Klang. Er kam näher. Sie umkreiste das Bett, scharrte auf dem Boden, das Gesäß hoch erhoben, stinkend.
    »Du musst, Natalia«, sagte er traurig.
    »Ich flehe dich an … ich flehe dich an, Valentin Nikolaievich«, jammerte sie plötzlich auf Russisch.
    Sie protestierte diesmal nicht so stark wie sonst. Vielleicht, dachte er sich, enthielt Claggarts Schlangenöl auch Spuren von Wolfsbann. Deshalb hatte sie vorhin so unbedacht aufgeschrien, und deshalb schien sie jetzt so nervös zu sein. Schnell und methodisch zwang er sie aufs Bett und kettete ihre Handgelenke an die Bettpfosten. Blasen bildeten sich an den Armen und Händen, wo sie mit dem Silber in Berührung kamen. Sie stöhnte, und noch im gleichen Augenblick verwandelte sich der Laut in das Heulen einer Wölfin.
    Er zog die Kette straff. »Vergib mir«, flüsterte er. Und er küsste sie auf die Wange, auf der bereits Fell zu sprießen begann,

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