Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
Vom Netzwerk:
Wochenende ohne Vorbestellung kaum ein
freier Tisch zu ergattern.
    »Die Kaiserdom-Torte ist echt große Klasse!«, schwärmte er. »Müssen
Sie die Tage unbedingt probieren.«
    Als Johanna mit ihm zusammen das Lokal betrat, waren nur noch drei
Tische besetzt; eine Kellnerin in schwarzem Rock und gestärkter weißer Bluse
servierte Getränke. Das rustikale Ambiente gefiel Johanna auf Anhieb. Maria
Lindner stand hinter dem Tresen und sah ihnen entgegen. Sie war eine blasse,
zierliche Frau Ende vierzig. Als sie Schuster erkannte, wurde sie noch zwei
Nuancen blasser. Bevor Johanna die Initiative ergreifen konnte, stellte der
Polizist die Kommissarin mit wichtiger Miene als Sonderermittlerin aus Berlin
vor. Johanna stöhnte innerlich auf.
    Maria Lindner wandte den Kopf. Sie hatte Mühe, dem Blick der Kommissarin
standzuhalten. »Sie kommen extra aus Berlin? Um Gottes willen …«
    Johanna winkte eilig ab. »Vergessen Sie das gleich wieder! Ein
Kollege von mir hatte kürzlich hier ganz in der Nähe einen schweren Unfall. Die
Umstände sind noch nicht ganz geklärt, und Ihre Tochter kannte ihn immerhin so
gut, dass er bei ihr angerufen hat, worüber Sie die Polizei dankenswerter Weise
in Kenntnis gesetzt haben …«
    »Sie meinen diesen Jonathan Maybach?«
    »Genau. Ich ermittle nun pro forma, ob es einen Zusammenhang
zwischen dem Verschwinden Ihrer Tochter und dem Unfall meines Kollegen gibt.
Dazu müssen wir natürlich noch einmal alle Fakten durchgehen und auch erneut
mit Ihnen sprechen.«
    »Ach so … ein Kollege von Ihnen. Das wusste ich gar nicht …
Es hat sich also nichts Neues ergeben?«, fragte Lindner nach kurzem Zögern mit
leiser Stimme. Ihr Blick flatterte hinüber zu der jungen Kellnerin und streifte
Schuster, bevor er schließlich zu Johanna zurückkehrte.
    »Leider nein.«
    »Es ist alles vollkommen unwirklich«, sagte Lindner noch leiser,
fast tonlos. »Jeden Moment könnte Kati durch die Tür treten – laut und
polternd, wie sie meistens war. Oder oft. Ich kann mir einfach nicht erklären,
was passiert ist oder was sie bewogen haben könnte … Wir kannten auch
diesen Maybach nicht. Kati hat nie von ihm gesprochen. Vielleicht gibt es ja
gar nichts zu erzählen.« Sie legte die Hände auf den Tresen.
    »Der hat nur seinen Namen genannt und wollte, dass Kati ihn zurückruft.
Das war alles. Es klang auch nicht besonders dringend.« Sie sah Johanna fragend
an.
    »Es war trotzdem eine sehr gute Idee, dass Sie die Polizei über den
Anruf informiert haben.«
    Lindner nickte abwesend. »Ja, ich dachte mir, dass es vielleicht
wichtig sein könnte. Manchmal sind es ja die Kleinigkeiten …« Sie atmete
tief durch und zog die Schultern hoch, um sie langsam wieder sinken zu lassen.
    »Mein Mann und ich haben mit Freunden und Bekannten mehrfach selbst
die Gegend abgesucht, in der Kati manchmal mit dem Rad unterwegs war, auch im
Elm«, fügte sie schließlich erklärend hinzu. »Die Polizei meint, es gäbe
bislang keine Hinweise auf ein Verbrechen, auch wenn wir keine andere Erklärung
für diese Situation haben. Sie ist weg – als hätte der Erdboden sie
verschluckt. Oder als wäre sie einfach davongeflogen, ohne uns Bescheid zu
sagen.«
    »Erinnern Sie sich vielleicht doch an irgendetwas, das in den Tagen
zuvor anders war als sonst? Eine Bemerkung zum Beispiel, die erst im Nachhinein
Gewicht bekommt. Hat sie viel telefoniert? Oder mehr als üblich? Gab es
plötzlich Heimlichkeiten? Hat sie mehr Geld als sonst bei sich gehabt? Jede
Abweichung kann bedeutsam sein.«
    »Nein, nichts dergleichen.« Lindner schüttelte den Kopf. »Das haben
wir alles schon einige Male durchgekaut.«
    »Trotzdem müssen wir erneut nachhaken«, erklärte Johanna.
    Maria Lindner nickte. »Ich denke noch mal über alles nach.«
    Johanna beendete die Unterredung wenige Minuten später, weil sie
eine weitere Befragung im Augenblick als sinnlos erachtete. Schusters
verblüffter Seitenblick wunderte sie nicht. Höchstwahrscheinlich hatte er eine
ausgetüftelte und raffiniert durchstrukturierte Befragung durch die BKA -Beamtin erwartet oder doch zumindest ein
deutlicheres Insistieren.
    Aber wozu sollte das in diesem Fall gut sein? Die Frau wusste
nichts, sie hatte Angst und quälte sich. Ihre Tochter hatte wahrscheinlich
schon lange ihr eigenes Leben geführt, an dem die Mutter nur noch am Rande
beteiligt war – so, wie es für eine junge Frau Mitte zwanzig völlig normal
war. Und falls Maria Lindner doch etwas wusste oder ahnte und

Weitere Kostenlose Bücher