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Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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anbieten.
Kaufinteressenten würden mich gnadenlos drücken.«
    »Kaufinteressenten?« Ludwig vergaß sein Rauchwerk. Blaugraue
Wölkchen kräuselten sich an seinem Gesicht empor. Er zwinkerte. »Du willst es
verkaufen – dein Elternhaus? Das ist doch nicht dein Ernst!«
    »Und ob das mein Ernst ist. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich
hier leben will?«
    Ludwig wischte sich über die Augen. »Es gab Unfrieden in dieser
Familie, aber den gibt es in jeder. Warum bist du so nachtragend? Selbst jetzt
noch – wo beide nicht mehr sind?«
    »Ich bin nicht nachtragend. Ich will nur nicht hier leben.«
    »Aber warum denn nicht? Du kannst das Haus doch umgestalten und
modernisieren oder –«
    »Onkel Ludwig, was soll ich in Königslutter?«, unterbrach Tibor ihn.
»Ich werde erledigen, was zu erledigen ist, und wieder abreisen.« Die alten
Geister werden hier immer ihr Unwesen treiben, und ich bin nicht bereit, ihnen
als Spielball zu dienen, dachte er.
    Ludwig streifte die Asche ab. Er schien zu überlegen, ob es sinnvoll
war, weiter zu insistieren, dann entschied er sich dagegen. »Nun, wie du meinst …
Und wo wirst du so lange wohnen? Du weißt ja, dass ich nicht sehr viel Platz
habe, aber natürlich könnte ich –«
    »Mach dir keine Umstände«, unterbrach Tibor ihn eilig. »Ich komm
schon irgendwo unter. Notfalls nehme ich mir ein Zimmer in einer Pension. Bis
alles erledigt ist, verkaufe ich einige Fotos an die regionale Presse –
gute Bilder sind immer gefragt – und gönne mir ansonsten eine Auszeit.«
    »Und danach?«
    »Mal sehen – Spanien, Brasilien, Afrika, Neuseeland. Ich weiß
es noch nicht.« Tibor war ein gefragter Naturfotograf. Er konnte sich
aussuchen, wo er arbeiten wollte.
    Ludwig legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du musst wissen, was du
tust.«
    So war es immer gewesen. Letzten Endes fand sich sein Onkel einfach
mit dem ab, was er ohnehin nicht ändern konnte. Eine gesunde Lebenseinstellung,
die Tibor sich selbst auch immer wieder ans Herz legte.
    Sie gingen ins Haus zurück, und wenig später verabschiedete sich
Ludwig. Tibor erledigte noch einige Telefonate und vereinbarte Termine mit zwei
Handwerkerfirmen sowie einem Makler, bevor er das Haus verriegelte.
    Als er im Wagen saß, entschied er sich spontan, bei seinem
ehemaligen Reitverein vorbeizufahren. In der großen Anlage standen stets zwei,
drei Zimmer zur Verfügung, die vorübergehend an Auswärtsgäste und ehemalige
Vereinsmitglieder vermietet wurden. Während seines Aufenthalts vor zehn Jahren
hatte er sich auch dort einquartiert. Damals hatte er Emilie Funke, eine
Freundin aus Schulzeiten, wiedergetroffen, die als Journalistin in Wolfsburg
arbeitete, und den gleichaltrigen Reitlehrer Steffen kennengelernt.
    Sein Herzschlag beschleunigte sich so abrupt, dass Tibor die Frage
zulassen musste, ob er tatsächlich erst in diesem Moment an Steffen dachte und
an die Möglichkeit, ihn wiederzusehen. Steffen, der das Leben aufgesogen hatte,
als könne es sich sonst davonstehlen. Ohne ihn. Das war wohl seine größte Angst
gewesen.
    ***
    Schuster stand am Freitagmorgen pünktlich um kurz vor neun
vor der »Alten Wassermühle«. Sein Aftershave schlug Johanna in einer blumigen
Wolke entgegen, kaum dass sie die Beifahrertür geöffnet hatte. Sie hüstelte,
verkniff sich aber einen Kommentar und begrüßte ihn munter, bevor sie Platz
nahm und den abgewetzten Lederrucksack zwischen ihren Beinen abstellte.
    »Sind Sie zufrieden mit dem Hotel?«, fragte Schuster und startete
den Motor.
    »Ja, danke. Alles bestens.« Das stimmte. Ihr Zimmer war gemütlich,
und das Frühstück hatte Bestnoten verdient.
    Bei einer dritten Tasse Kaffee und einem süßen Brötchen mit hausgemachter
Blaubeermarmelade hatte Johanna bereits einen Termin mit Reinders vereinbart
und kurz mit ihrer Chefin telefoniert. Leider konnte Grimich auch keine näheren
Angaben zu Wiebors aktuellem Einsatz machen, wollte ihr aber zügig einen
internen BKA -Kontakt zu einem Kollegen
herstellen, der häufig mit Wiebor zusammenarbeitete und vielleicht
Hintergrundwissen beisteuern konnte. »Vielleicht« gehörte nicht gerade zu
Johannas Lieblingsworten.
    Die Buchhandlung von Gertrud Kreisler befand sich in einem schmucken
Fachwerkhaus. Als Schuster den Wagen abstellte, bat Johanna ihn um
Zurückhaltung, was ihre Rolle als Sonderermittlerin betraf. »Wir sollten das
nicht bei jeder Befragung ausdrücklich betonen.«
    Schuster stutzte irritiert, nickte dann aber. »Klar, wie Sie

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