Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
Vom Netzwerk:
wollen.
Sie sind die Chefin.«
    Kreisler war eine kleine rundliche und elegante Erscheinung, die mit
ihrer geschäftigen Art, den hochgesteckten blondierten Haaren und dem
silbergrauen Hosenanzug auf den ersten Blick distanziert wirkte. Ihr Geschäft
befand sich in bester Innenstadtlage in der Marktstraße und verströmte mit
seiner gediegenen Ausstattung fast die Atmosphäre einer altehrwürdigen
Bibliothek, in der man nicht laut reden durfte. In mehreren ineinander
übergehenden Räumen standen trotz der frühen Stunde bereits etliche Kunden an
den Regalen und inspizierten mit seitlich geneigten Köpfen das Angebot. An der
Kasse war ein leises Gespräch im Gange. Eine Mitarbeiterin gab fachkundig
Auskunft.
    Johanna ließ kurz ihren Blick schweifen, bevor sie sich an Gertrud
Kreisler wandte und ihr erklärte, warum sie gekommen war, während Schuster im
Hintergrund blieb. Kaum war Katis Name gefallen, fiel das geschäftsmäßige
Lächeln von der Inhaberin ab.
    »Haben Sie etwa schlechte Nachrichten?«, fragte sie leise und setzte
ihre Lesebrille ab. Ihr Blick streifte Schuster.
    »Wir haben gar keine Nachrichten«, sagte Johanna. »Ich untersuche im
Zusammenhang mit einem anderen Fall das Verschwinden Ihrer Angestellten und bin
auf Ihre Erläuterungen angewiesen.«
    Gertrud Kreisler seufzte erleichtert. »Ich verstehe.« Dann zog sie die
Augenbrauen zusammen. »Ist denn noch jemand verschwunden?«
    Johanna schüttelte rasch den Kopf. »Nein, nein. Wir untersuchen den
Motorradunfall eines jungen Mannes, den Kati kannte. Sagt Ihnen der Name
Jonathan Maybach etwas?«
    Kreisler überlegte. »Hm. Nein. So auf Anhieb nicht.«
    Johanna zog Wiebors Foto aus der Akte in ihrem Rucksack. »Kennen Sie
diesen Mann? War er mal hier?«
    Kreisler betrachtete die Aufnahme vom zurückhaltend lächelnden
Wiebor eine ganze Weile, bis sie schließlich den Blick hob und sie Johanna
zurückgab.
    »Ich weiß nicht. Nein, das Gesicht sagt mir zunächst mal gar nichts«,
entgegnete sie zögernd. »Ich kann aber nicht ausschließen, dass er mal hier
war. Meine Stammkundschaft kenne ich natürlich, aber …«
    »Ja, ich verstehe. Es könnte dennoch sein, dass dieser Mann und Kati
hier ins Gespräch gekommen sind, ohne dass Sie etwas davon mitbekamen?«
    »Ja, das ist möglich, zumal ich nicht immer selbst im Geschäft stehe.«
    Johanna nickte und bedeutete Schuster mit einer beiläufigen Handbewegung,
näher zu treten. Sie drückte ihm das Foto in die Hand und bat ihn, Kreislers
Angestellte zu befragen. »Sofern Sie nichts dagegen haben«, fügte sie der
Buchhändlerin gegenüber hinzu.
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Danke. Wie ist Kati eigentlich als Mitarbeiterin?«
    »Ich habe sie stets sehr geschätzt. Und ich hoffe, dass ich sie bald
wieder an ihrem Arbeitsplatz begrüßen kann.« Gertrud Kreisler wies auf eine
Sitzecke vor einem Regal mit Bildbänden und Wanderkarten. »Unsere Unterredung dauert
ja wohl doch etwas länger. Wollen wir uns nicht setzen?«
    Johanna nahm das Angebot gern an. »Erzählen Sie doch mal – was
ist Kati für ein Typ?«, fragte sie. »Könnte man vermuten, dass sie die Nase
voll hatte und sich einfach auf und davon gemacht hat?«
    Kreisler schüttelte sofort den Kopf. »Einfach so? Das halte ich für
ziemlich unwahrscheinlich. Sie wollte irgendwann mal raus – was Neues
sehen und erleben, ihren Horizont erweitern, das hat sie betont, ja …
verständlich mit Mitte zwanzig, oder? Unser Elm-Städtchen ist sicherlich sehr
schön, aber Kati hatte nicht vor, ihr ganzes Leben hier im Landkreis zu
verbringen, zwischen Volkswagenwerk und Harzvorland, Elm und Drömling.
Wolfsburg, Braunschweig und Helmstedt gelten ja auch nicht unbedingt als die
angesagten Städte, von Königslutter ganz zu schweigen.« Gertrud Kreisler lächelte
kurz.
    »Ehemaliges Zonenrandgebiet. Mit dem Ausdruck kann Kati gar nichts
mehr anfangen, aber sie hat häufig über die Gegend gelästert und sie verdammt
dröge genannt. Dennoch: Es gab keine konkreten Pläne. Über die hätte sie mich
informiert, da bin ich ziemlich sicher, und sie wäre kaum auf die Idee
gekommen, sich Knall auf Fall und ohne einen einzigen erläuternden Satz aus dem
Staub zu machen. Sie mochte ihren Job und war verantwortungsbewusst. Ist sie
hoffentlich immer noch«, verbesserte sie sich eilig.
    »Wie würden Sie die junge Frau mit wenigen Worten beschreiben?«
    »Kati ist lebhaft und intelligent, sehr direkt, manchmal fast
unangenehm direkt, und unglaublich wissbegierig.

Weitere Kostenlose Bücher