Wolfstage (German Edition)
griff zur dritten Akte. Sie spürte, dass ihre Fingerspitzen
vibrierten. Die Aufnahmen von Kati waren grauenvoll. Das eindringlichste Bild
zeigte Katis Antlitz mit weit aufgerissenen Augen, in denen das blanke
Entsetzen stand. Sie deckte es schnell auf und hielt es Peters direkt vors
Gesicht. Er fuhr wie von einem Stromschlag getroffen zurück.
»Fürchterlich, nicht wahr?«, fragte Johanna leise. »Es ist ihr richtig
schlecht ergangen. Sie wurde unendlich gequält. Ich musste vorhin mit ihrem
Vater sprechen. Sagen Sie mal – wie kriegt man eigentlich Menschen dazu,
anderen Menschen so etwas anzutun? Funktioniert das auch über Teamdynamik?«
Peters rechtes Augenlid begann zu zucken. Damit hatte er eindeutig
nicht gerechnet.
»Und bevor Sie auf die Idee kommen, irgendwas abstreiten zu wollen:
Wir haben nicht nur Indizien, Beweise und zahllose Spuren, die Ihre
Mittäterschaft aufs Eindrucksvollste bestätigen, sondern sogar einen Zeugen,
der bei der Exekution dabei war. Der mit angesehen und gehört hat, wie Sie den
Befehl gegeben haben, Kati zu töten.«
Diesmal wurde Richard Peters bleich. »Was für ein Unsinn! Welcher
Zeuge? Wovon reden Sie eigentlich?«
»Ein netter junger Mann, der das Haus im Velpker Steinbruch
monatelang als Versteck genutzt und regelmäßig auf dem Dachboden übernachtet
hat. Er hat Ihre Gruppe ›Pfadfindertrupp‹ genannt und sich köstlich darüber
amüsiert, dass Sie ihn nie bemerkt haben. An besagtem Abend musste er sich im
Schuppen unter den ausrangierten Möbeln verstecken, als Sie unerwarteterweise
zurückkehrten. Mich würde übrigens neben allem anderen noch sehr interessieren,
was Taschner zu dieser Unprofessionalität sagen wird. Jeder Kindergartentrupp
wäre umsichtiger gewesen und hätte mitbekommen, dass er nicht allein war.« Sie
schürzte die Lippen. »Begeistert wird er nicht sein, wie ich ihn einschätze.«
Peters biss die Zähne aufeinander.
»Ach, bevor ich es vergesse: Dieser USB -Stick,
den Kati angeblich entsorgt hat, konnte sichergestellt werden«, flunkerte
Johanna, ohne mit der Wimper zu zucken. »Sie hatte ihn eben nicht nach Uhlands
Anweisungen gelöscht, sondern nur weggeworfen. Und sie hatte Kontakt zu
Maybach, wie Sie ja wissen. Den ganzen Aufwand mit Katis Laptop hätten Sie sich
also getrost sparen können. Was sagen Sie nun?«
Panik huschte wie ein Schatten über Peters’ Gesicht und nistete sich
tatsächlich in seinen blauen Augen ein. »Ich will meinen Anwalt sprechen, und
zwar sofort.«
Johanna lehnte sich lächelnd zurück. »Ach, so schnell haben Sie die
Hosen voll – interessant. Nach Ihren bisherigen Auftritten hatte ich Ihnen
mehr zugetraut. Wie wäre es denn, wenn Sie einfach ein Geständnis ablegen
würden? Wirkt sich mildernd aufs Strafmaß aus. Welche Rolle spielt Taschner?«
Peters lachte freudlos auf und schüttelte den Kopf, als hielte er
sie für bemerkenswert naiv – bestenfalls.
Johanna aß einen weiteren Keks und krümelte auf ihr T-Shirt. Für den
Bruchteil einer Sekunde blitzte Gehässigkeit in Peters Augen auf.
Er kann mich nicht ausstehen, dachte sie. Er findet mich wahrscheinlich
sogar eklig. Sie krümelte noch ein bisschen und warf ihm dann eine Art
entschuldigendes Lächeln zu. Keksreste klebten an ihren Zähnen. Sie lächelte
noch breiter.
»Glauben Sie allen Ernstes, dass sich Taschner für Sie und die
Gruppe starkmacht, wenn er damit auch nur das geringste Risiko eingehen muss?
Er müsste sich viel zu weit aus dem Fenster lehnen. Das machen Leute wie er
nicht. Er wird Sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Männer fürs Grobe
findet er überall. Er braucht Sie nicht.«
Peters verzog den Mund. »Sie haben nicht die geringste Ahnung. Und
so ganz nebenbei: Kleine Kommissarinnen wie Sie verspeist er zum zweiten
Frühstück.«
»Ich bin nicht sehr bekömmlich«, gab sie ungerührt zurück. »Weder
zum ersten noch zum zweiten Frühstück. Und übrigens: So lange Taschner sich mit
derart unfähigen Leuten umgibt, die auch noch dümmste Fehler machen, haben wir
von ihm und seinen Ideen ohnehin nicht allzu viel zu befürchten.«
Peters’ Hände zuckten heftig. »Ich will meinen Anwalt anrufen«,
wiederholte er und starrte sie hasserfüllt an. »Das dürfen Sie mir nicht
verwehren.«
Johanna nickte. »Stimmt. Ein Kollege wird sich gleich darum kümmern.
Währenddessen werde ich Ihre Mitstreiter vernehmen.«
Colin trat zur Tür herein und ließ Peters abführen. Er grinste
Johanna an.
»Den haben Sie ja ganz
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