Wolfstage (German Edition)
Reitlingstal findest, in
der ein gewisser Markus Taschner Seminare gibt.«
»Okay. Sonst noch was?«
»Rolf Mansloh, Ende zwanzig, wohnt in Reislingen bei Wolfsburg,
Betriebswirt und ehemaliger Bogenschütze in einem Velpker Verein; außerdem
Richard Peters aus Königslutter, ähnliches Alter, arbeitet in einem
Sicherheitsdienst. Seine Freundin heißt Eva Blum, ist Mitte zwanzig. Sie hat
einen Kosmetiksalon in Königslutter. Hast du das notiert?«
»Ja. War’s das?«
»Für den Moment ja.«
»Okay. Ich melde mich, sobald ich was habe.«
»Weißt du schon ungefähr, wann …?«
»Nein, Herzchen. Du musst dich gedulden.«
»Danke, auch für den Hinweis, und noch ein schönes Wochenende,
Toni.«
»Wünsch ich dir auch.«
Emilie Funke war immer noch nicht zu erreichen, aber
diesmal ertönte auf ihrer Festnetznummer immerhin das Besetztzeichen. Johanna
sah auf ihre Uhr. Es war Zeit abzuschalten. Sie könnte nach Wolfsburg fahren
und den Anstandsbesuch bei Mutter und Großmutter hinter sich bringen. Sie
könnte es aber auch bleiben lassen. Johanna seufzte. Familie war ein
schwieriges Terrain.
***
Sie hatte den Nachmittag verschlafen. Als sie aufwachte,
stand die Sonne tief und ihr Magen rumorte. Emilie hatte seit dem Imbiss während
der Wanderung keinen Bissen zu sich genommen. Sie vergaß manchmal das Essen,
bis ihr schlecht wurde oder der Hunger Schmerzsignale aussandte.
Flow folgte ihr in die Küche. Sie stellte sein Futter bereit und aß
ein Stück Brot mit Käse, während der Fisch und das Gemüse in der Pfanne
brutzelten. Emilie nahm am Esstisch im Wohnzimmer Platz. Sie war keine
großartige Köchin, aber das einfache Gericht schmeckte hervorragend. Ihr Blick
fiel auf das Telefon, als sie sich den Rest aus der Pfanne auftat. Der
Anrufbeantworter blinkte. Sie stellte den Teller ab und rief die Liste mit den
Anrufnummern auf. Tibors war nicht dabei. Schade. Sie hatte ihm eine kurze
Nachricht auf die Mobilbox gesprochen und um seinen Rückruf gebeten. Emilie aß
den Rest und kümmerte sich anschließend sofort um den Abwasch.
Das Telefon klingelte, als sie Flow gerade vor die Tür gelassen hatte.
»Hallo, Emilie. Du hast vorhin angerufen«, sagte Tibor, und das
klang freundlich.
»Ja, nett, dass du zurückrufst.«
»Na klar. Bevor ich es vergesse: Was wollte eigentlich gestern die Polizei
von dir?«
»Eine junge Frau aus Königslutter ist vor gut einer Woche
verschwunden – Kati Lindner. Ich kannte sie zumindest flüchtig. Sie hat in
der Buchhandlung gearbeitet. Nun wird da wohl eingehender ermittelt. Eine
ziemlich schrullige Kommissarin hat die Leitung übernommen und befragt Gott und
die Welt.«
»Lindner? Die Lindners mit dem Café am Dom?«
»Das sind Katis Eltern.«
»Oje.« Tibor machte eine kurze Pause. »Apropos verschwunden …
Ich habe im Reitverein noch mal ein paar Leute nach Steffen gefragt. Der
scheint sich ja in der Tat förmlich in Luft aufgelöst zu haben. So drückten
sich jedenfalls die meisten aus.«
Emilie lächelte. Der verflossene Lover schien Tibor keine Ruhe zu
lassen. »Ja, so ähnlich wirkte es. Er muss es sehr eilig gehabt haben.«
»Offensichtlich. Na ja, und solche Leute wie die Hildmanns und
Seiberts interessieren sich ja für derlei Geschichten erst gar nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Helen Hildmann konnte sich zwar ganz gut an Steffen erinnern, hat
aber nur müde gelächelt, als ich sie fragte, ob sie es nicht merkwürdig fände,
dass der so mir nichts, dir nichts abgehauen sei.«
»Als Psychiaterin findet sie wahrscheinlich so schnell nichts merkwürdig«,
erwiderte Emilie.
Tibor lachte. »Das ist allerdings ein Argument.«
Emilie hatte das Gefühl, dass sie sich bei diesem Telefonat deutlich
näher waren als bei ihrem Treffen im Bistro.
»Aber die Seibert hat sich seltsam verhalten«, fuhr er kurz darauf
in nachdenklichem Ton fort. »Sie schien Mühe zu haben, mich überhaupt
zuzuordnen und starrte mich völlig perplex an. Als hätte sie mich noch nie im
Reitverein gesehen oder als wäre ich ein ungebetener Eindringling. Dabei habe
ich dort über Jahre hinweg beinahe täglich viele Stunden verbracht: im Sattel,
beim Ausmisten oder mit dem Fotoapparat. Und obwohl ich ausgesprochen charmant
war, hat sie mich ganz schnell abgewimmelt – das grenzte schon an derbe
Unhöflichkeit. Als ich vor zehn Jahren hier war, hatte sie keine Mühe, sich an
mich zu erinnern und war sogar in der Lage, ein paar freundliche Worte mit mir
zu wechseln. Aber selbst wenn sie
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