Wolfstage (German Edition)
dem Weg.«
Zehn Minuten später saß Johanna mit Dieter Schuster an
einem Tisch am Ende des großen Dienstzimmers, während um sie herum Telefone
klingelten und Gesprächsfetzen geschäftiger Beamter hin-und herschwirrten.
Nabold lief mit hochrotem Gesicht von einem Raum zum anderen. Johanna war
gerade dabei, sich auf die neue Situation einzustellen, als Reinders eintrat.
»Danke, dass Sie so schnell kommen konnten«, sagte er, steckte sein
Handy ein und setzte sich mit ernster Miene an den Tisch. »Kollege Schuster ist
stutzig geworden. Wie es aussieht, könnte es einen wie auch immer gearteten
Zusammenhang mit Ihren Ermittlungen geben.« Er blickte Schuster an.
»Verschaffen Sie Kommissarin Krass doch mal einen Überblick.«
Schuster nickte. »Wir haben bislang nur kurz mit den Eltern des
Opfers sprechen können – die sind völlig von der Rolle,
verständlicherweise. Sie sagen aus, dass Milan Hildmann, zweiundzwanzig Jahre
alt, Student, gestern am frühen Abend in seinem Wagen gemeinsam mit seinem zwei
Jahre älteren Bruder Henrik in Richtung Braunschweig aufgebrochen ist. Beide
wollten sich mit Freunden treffen«, berichtete er nach einem Blick in seine Notizen.
»Die vier Hildmanns waren zuvor gemeinsam auf einer Geburtstagsfeier bei einer
befreundeten Familie, den Seiberts. Die Eltern sind anschließend noch in ein Konzert
gegangen und erst spät zurückgekehrt. Milan war noch nicht daheim, worüber sie
sich aber nicht großartig wunderten. Er wohnte zwar noch zu Hause, übernachtete
aber manchmal in Braunschweig bei Kommilitonen …«
»Und was ist mit dem Bruder?«
»Den haben wir bislang leider noch nicht erreicht«, antwortete
Reinders und hob kurz die Hände. »Er wohnt nicht mehr zu Hause. Die Eltern
sagen, dass er genau wie Milan gestern noch etwas vorhatte und es häufig
vorkommt, dass er am Wochenende Telefon und Handy ausschaltet, weil er seine
Ruhe haben will.«
»Hm … Nun ja, unter den gegebenen Umständen finde ich das
allerdings ziemlich beunruhigend.«
»Ganz Ihrer Meinung. Eine Streife ist bereits unterwegs, die auch
die angenommene Route der beiden abfährt und nach Milan Hildmanns Wagen
Ausschau hält, der bislang noch nicht aufgetaucht ist. Außerdem versuchen wir
ständig, ihn telefonisch zu erreichen.«
»Okay.« Johanna wandte sich wieder Schuster zu. »Weiter.«
»Der Notruf von Funke und dem Fotografen erreichte uns heute Morgen.
Die beiden haben die Leiche in der Nähe des Großen Tafelberges entdeckt«,
berichtete Dieter Schuster weiter, stand auf und trat vor eine Wandkarte.
»Ungefähr hier. Da ist es recht einsam.« Er zeigte auf ein Gebiet im
nordwestlichen Elm. »Einen bis anderthalb Kilometer weiter südlich beginnt das
Reitlingstal.« Er drehte sich kurz um und warf Johanna einen Blick zu, bevor er
fortfuhr.
»Der leblose Körper des jungen Mannes befand sich ein ganzes Stück
abseits eines Fußweges. Funkes Hund hatte angeschlagen und sie hingeführt. Die
beiden haben dann festgestellt, dass Milan am Hals verletzt war und nicht mehr
lebte …«
»Was für eine Verletzung?«, warf Johanna ein.
»Noch unklar«, ergriff Reinders wieder das Wort. »Wir haben ihn nach
der Identifizierung durch die Eltern sofort ins gerichtsmedizinische Institut
nach Hannover bringen lassen. Außerdem sind unsere KTU -Leute
natürlich am Fundort. Ich hoffe, dass wir schnell erste Ergebnisse bekommen,
auch wenn die Voraussetzungen vor Ort alles andere als ideal sind.«
Johanna runzelte die Stirn. »Wie darf ich das verstehen?«
»Da Kranz und Funke am Fundort der Leiche keinen Handyempfang
hatten, was dort häufig vorkommt, konnten sie uns nicht sofort erreichen,
wollten aber den Toten, den beide seit Jahren persönlich kennen, keinesfalls
einfach liegen lassen. Also haben sie ihn ein ganzes Stück mitgeschleppt«,
erläuterte Schuster mit einem Seufzer und setzte sich wieder.
»Scheiße!«, kommentierte Johanna aufgebracht. »Die Techniker werden
richtig begeistert sein! Warum ist nicht einer allein losgedüst, während der
andere dort geblieben ist?«
»Angst, Panik, Verwirrung … Kranz hat ihn aber fotografiert, bevor
sie ihn angefasst haben – die Aufnahmen kriegen wir gleich –, und
auch Fotos von der näheren Umgebung gemacht, um den Fundort zu dokumentieren.
Dann hat er sich den Toten auf den Rücken gehievt, und sie sind so weit
gegangen, bis sie telefonieren und uns informieren konnten«, fuhr Schuster
fort. »Übrigens, Milan Hildmann hatte zwar Schlüssel, Papiere und
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