Wolfstage (German Edition)
habe ich der Polizei schon gesagt. Den ganzen Abend und die
halbe Nacht. Und gepennt haben wir bis zum Nachmittag.« Er machte eine
wegwerfende Handbewegung.
»Ich wüsste es gerne genauer. Könnten Sie aufschreiben, wo Sie sich
wann aufgehalten haben?« Johanna zog Block und Stift aus ihrem Rucksack und
legte es vor ihn hin. »Außerdem brauche ich ein Foto von Ihnen.«
»Wieso das?«
»Ist die Frage ernst gemeint?«
Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn auf die
gefalteten Hände. »Aber ja. Sie müssen mir schon einen plausiblen Grund
nennen.« Er lächelte. »Und das wissen Sie auch.«
Johanna spürte, dass sie wütend wurde und damit wie eine Anfängerin
auf seine Provokationen hereinfiel. Gregor Bischoff gehörte zu der Sorte
Männer, auf die Johanna, ohne eine einzige Sekunde zu zögern, für immer
verzichten könnte. In diesem und auch im nächsten Leben. Davon abgesehen fühlte
er sich auffällig sicher. Und das konnte alles Mögliche bedeuten.
»Ich benötige das Foto zur Überprüfung Ihrer und Henriks Angaben«,
sagte sie betont ruhig. »Sollte das für Sie ein Problem darstellen, wende ich
mich kurzerhand an Ihren Vorgesetzten.«
Bischoffs Lächeln wurde sparsamer. Er machte eine wegwerfende
Bewegung. »Schon gut. Nicht nötig. War nur ein Spruch.«
»Wie schön.« Johanna gönnte sich einen süffisanten Tonfall. »Wenn
Sie nichts dagegen haben, mache ich zwei, drei Aufnahmen mit meinem Handy,
während Sie notieren, wo Sie mit Henrik waren. Das geht schnell und dürfte für
die Überprüfung reichen.«
Er nickte und nahm den Stift. Johanna fingerte ihr Handy heraus und
lichtete Bischoff mehrmals ab, während der eifrig schrieb. Schließlich schob er
ihr den Block hinüber. Für einen erwachsenen Mann, noch dazu mit der bulligen
Statur, hatte Bischoff eine überraschend zierliche Handschrift. Ein Kino in der
Innenstadt und zwei Bars hatte er nach der gemeinsamen Erledigung liegen
gebliebener Büroarbeit angegeben, außerdem einen kurzen Besuch bei McDonalds;
anschließend wären Henrik und er zurückgekehrt und hätten bis zum frühen Morgen
bei ihm zu Hause an der Playstation gesessen. Die Auflistung war bemerkenswert
detailliert.
»Die Kinokarten hat Henrik sicher noch«, fügte er hinzu. »Der hebt
so ‘n Zeug auf. Und die Mädels in den Bars müssten sich eigentlich an uns
erinnern.« Er grinste wieder selbstsicher. »Wir waren ziemlich gut drauf.«
»Freut mich zu hören. Wie sind Sie eigentlich aus Braunschweig
zurückgekommen?«
»Na, so wie wir hingekommen sind: mit meinem Wagen.«
»Wenn Sie ziemlich gut drauf waren, haben Sie sich sicherlich den
einen oder anderen Drink genehmigt …«
»Henrik hatte nur ein Bier und einen Drink, er ist gefahren«,
erklärte Bischoff eilig.
»Ach so. Sagen Sie mal – ich habe irgendwo gelesen, dass man
hier auf dem Gelände Bogenschießen kann. Stimmt das?«
Er hielt kurz inne. »Ja, das stimmt. Es gibt Kurse für unsere Gäste,
und einige Mitarbeiter trainieren auch.«
»Interessanter Sport«, meinte Johanna. »Ein Freund von mir hat ihn
früher eifrig betrieben. Gibt es da nicht sehr unterschiedliche Bogenarten?«
Bischoff nickte. »Allerdings. Wir verwenden hier Compound-und
Langbögen.«
Johanna nickte. »Trainieren Sie auch mit der Armbrust?«
»Nein.«
»Zu gefährlich?«
»Darum geht es nicht.« Bischoff sah sie unbeirrt an. »Es ist nicht
besonders reizvoll, mit der Armbrust auf eine Zielscheibe zu schießen. Man
trifft relativ schnell, jedenfalls auf kurze Entfernung.«
»Ach so. Bei einem unbewegten Objekt fehlt also die
Herausforderung?«
»Ja, genau.«
»Wie lange arbeiten Sie schon hier?«
»Gut zwei Jahre.«
»Im Sicherheitsbereich?«
»Hauptsächlich.«
»Was heißt das genau?«
»Gelände-, Objekt-und Personenschutz«, antwortete Bischoff prompt.
»Wir haben oft ‘ne Menge Leute hier, und man kann nie wissen. Taschner nimmt
auf Reisen auch meist jemanden mit. Außerdem bin ich zuständig für Logistik,
Technik und Einkauf und helfe auch im Büro aus. Je nachdem was gerade so
anfällt.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Hören Sie, ich …«
»Wir sind gleich durch, Herr Bischoff. Sie sind voll integriert ins
Team, oder?«
»Und ob. Ich hab mich bewährt und bin nach der Probezeit übernommen
worden.«
»Wie schön.«
Er blinzelte.
»Taschner scheint ein sehr beliebter Chef zu sein.«
»Davon können Sie ausgehen.«
»Was schätzen Sie am meisten an ihm?«
Bischoff überlegte
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