Wolfstage (German Edition)
Taschner ein guter Vorgesetzter?«
Henrik nickte. Er ließ die Arme sinken und legte die Hände auf den
Tisch. »Er ist klasse. Ein kluger Mann. Ich schätze ihn sehr.«
»Er ist Wirtschaftsexperte, oder?«
»Ja, unter anderem.« Henrik nickte und sah kurz zu Colin hinüber,
der sich Notizen machte, obwohl die Befragung aufgezeichnet wurde.
»Er weiß, wie man schwierige Themen mit einfachen Worten vermittelt.
Männer wie er könnten die Wirtschaft so richtig voranbringen, und nicht nur
die. Taschner meint immer, die Leute müssten Ziele haben, gemeinsame Ziele, die
sie stark machen und einen – auch politisch und kulturell. Es gibt zu
wenige Vorbilder heutzutage.«
»Aber er ist ein Vorbild?«
»Unbedingt.«
»Für welche Ziele steht denn Taschner?«
»Für die Besinnung auf regionale Stärken zum Beispiel, innerhalb
Deutschlands und auch Europas. Dann würden viele Probleme gar nicht erst
entstehen.« Henrik lächelte. »Wenn Sie das so interessiert, sollten Sie sich
mal einen Vortrag anhören oder ein Seminar belegen.«
»Ich werd’s mir überlegen. Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu
Richard Peters?«
Hildmann zuckte merklich zusammen. »Wie kommen Sie denn plötzlich
auf Richard?«
»Beantworten Sie einfach meine Frage.«
Henrik wischte sich über die Nase. »Wie ich schon sagte – wir sind
hier ein Team. Richard hat eine besonders wichtige Aufgabe.«
»Danach habe ich nicht gefragt.«
Er blickte sie stirnrunzelnd an. »Ich komme gut mit ihm klar.«
»Ist er so was wie ein Chef?«
»Er ist der Chef der Security.«
»Ich verstehe.«
Hildmann zog ein Gesicht, als hätte er an Johannas Behauptung
berechtigte Zweifel. Sie griff in ihre Tasche und zog ein Foto von Lennart
heraus. »Kennen Sie diesen Mann?«
Henrik betrachtete die Aufnahme nur kurz und sah irritiert hoch. »Ja,
klar, das ist Maybach – Jonathan Maybach. Er hat hier gearbeitet, aber nur
kurz. Was hat er …?«
»Wussten Sie, dass er letzte Woche einen Unfall hatte?«
Hildmann zwinkerte und schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Er hat
sich um den Fuhrpark gekümmert, und ich bin davon ausgegangen, dass der Job auf
ein paar Wochen befristet war.«
»Und von dem Unfall haben Sie nichts mitbekommen?«
»Leider nein.«
»Ich denke, Sie sind hier ein Team – wie kann es dann sein,
dass einer von Ihnen einen schweren Unfall hat und Sie wissen nicht mal was
davon?«
»Er war als Aushilfe eingestellt – befristet. Und er war ganz
neu. Nicht jeder gehört gleich dazu.«
»Ach so.« Johanna sah ihn abwartend an.
Henrik hob das Kinn. »Man muss schon zeigen, was man draufhat, und
nicht nur für ein paar Wochen.«
»Verstehe. Kennen Sie Kati Lindner?«
»Müsste ich?«
»Sie hat in der Buchhandlung Kreisler gearbeitet, ihre Eltern …«
Hildmann nickte eilig. »Ja, richtig. Darüber stand was in der
Zeitung. Sie ist verschwunden, nicht wahr?« Er verschränkte die Arme, als
Johanna nickte. »Hören Sie, ich weiß nicht, was all diese Fragen sollen. Ich
denke, es geht um Milan …«
Die Kommissarin lächelte. »Stimmt. Ich neige dazu, sehr viele Fragen
auf einmal zu stellen – ist so eine Unsitte von mir. Eine von vielen, aber
lassen wir das. Ich möchte, dass Sie meinem Kollegen zeigen, an welcher Stelle
genau Milan Sie am Samstag abgesetzt hat. Außerdem notieren Sie bitte, wo und
wann Sie am Samstagabend mit wem wie lange waren. Währenddessen spreche ich mit
Gregor.«
Colin stand auf. Henrik erhob sich langsam. Johanna unterbrach die
Aufnahme und schob ihren Stuhl zurück. »Danke fürs Erste.«
Colin Sander drehte sich in der Tür noch einmal nach ihr um. Sie
machte ihm rasch ein Zeichen und hoffte, dass er ihre Aufforderung, sich in
aller Ruhe und unauffällig umzusehen, verstand.
Gregor Bischoff hatte sich Zeit gelassen. Colin und Henrik
waren schon einige Minuten unterwegs, als er plötzlich ohne zu klopfen die Tür
öffnete. Die athletische Gestalt füllte den Türrahmen in beeindruckender Weise
aus. Er kratzte sich am Hinterkopf, was bei seinem kurz geschnittenen Haar ein
Geräusch erzeugte, als bearbeite man Holz mit grobkörnigem Schleifpapier.
Bischoff grüßte und trat ein. Lässig ließ er sich auf den Stuhl gegenüber von
Johanna fallen und musterte sie eindringlich. Auf seinem Sweatshirt prangte das
Logo der Tagungsstätte in flirrendem Rot.
»Sie waren am Samstagabend mit Henrik unterwegs?«, fragte Johanna,
nachdem sie den Gruß erwidert und sich vorgestellt hatte. Sie richtete das
Mikro aus.
»Ja, das
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