Wolfstage (German Edition)
nur kurz. »Dass er weiß, wo es langgeht.«
»Und wo geht es lang?«
Er lächelte. »Besuchen Sie eines seiner Seminare. Ich kann das nicht
so gut erklären.«
Im gleichen Moment klopfte es. Die Tür öffnete sich, bevor Johanna
etwas sagen konnte, und Richard Peters trat ein. Er ist vorbereitet, dachte
sie, als er sie anlächelte. Natürlich ist er vorbereitet. Der Mann hatte
bemerkenswert blaue Augen.
»Frau Kommissarin – das ist ja eine Überraschung!«
»Ja, nicht wahr, Herr Peters? Setzen Sie sich kurz zu uns?«
Richard Peters wechselte einen schnellen Blick mit Bischoff. »Gibt
es was Besonderes?« Er zog einen Stuhl vom Tisch zurück und nahm Platz, ohne
den Rekorder auch nur eines Blickes zu würdigen.
»Ja, Sie haben vielleicht davon gehört, dass Henriks Bruder Milan
ums Leben gekommen ist – hier im Elm, ganz in der Nähe«, erwiderte
Johanna.
»Ja, Henrik hat es erzählt. Wie fürchterlich!«
»Wir wollen herausfinden, was geschehen ist, und müssen ein paar Fragen
stellen.«
Bischoff wippte mit dem Bein. Peters legte ihm kurz eine Hand auf
die Schulter und lächelte Johanna freundlich an.
»Gregor hat noch eine Menge zu tun. Sind Sie so weit durch mit ihm,
dass er gehen kann?«
Peters nahm ihr ganz selbstverständlich das Heft aus der Hand. Sie
ließ ihn gewähren und nickte. »Na klar.«
Bischoff verabschiedete sich eilig und schlüpfte durch die Tür.
Peters legte die Hände auf den Tisch und sah die Kommissarin aufmerksam an.
»Das Gelände ist sehr gut gesichert«, sagte Johanna nach kurzem
Überlegen. »Hohe Zäune, geschultes Sicherheitspersonal …«
»Es passiert eine Menge heutzutage. Wir garantieren unseren
Seminarteilnehmern und Gästen einen ungestörten Aufenthalt.«
»Sind Videokameras installiert?«
»Natürlich. Am Haupteingang und auch an den Nebeneingängen«, gab
Peters prompt Auskunft. Er verzog keine Miene.
»Wie viele Nebeneingänge gibt es denn?«
»Drei. Zwei davon nur für Fußgänger.«
»Und die Kameras zeichnen rund um die Uhr auf?«
Peters verschränkte die Hände. »Sie zeichnen immer dann auf, wenn
sich etwas tut. Die Daten werden nach vierundzwanzig Stunden gelöscht
beziehungsweise überschrieben.«
Scheiße, dachte Johanna. Das wäre ja auch zu schön gewesen.
»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Frau Kommissarin?«, fragte Peters,
als sie plötzlich schwieg. »Was hat unser Gelände mit dem Tod von Henriks Bruder
zu tun?«
Das genau wüsste ich nur allzu gern, dachte Johanna. Sie sah ihn an.
Er gab den Blick ungerührt zurück.
»Jonathan Maybach hat eine Weile hier gearbeitet«, ging sie über
seine Frage hinweg. »Ich habe Ihnen kürzlich ein Foto von ihm gezeigt, wenn Sie
sich erinnern. Sie behaupteten, ihn nicht zu kennen.« Sie zog ein Bild von
Lennart aus ihrem Hefter.
Peters betrachtete es einen Augenblick interessiert und zuckte dann
mit den Achseln. »Hab ich wohl nicht richtig hingeguckt, tut mir leid. Er war nur
kurz als Aushilfe beschäftigt, hat einige Wagen repariert und durchgecheckt und
war dann von einem Tag auf den anderen wieder weg. Ich hatte nur selten direkt
mit ihm zu tun.« Falls ihn der abrupte Schwenker verwunderte, ließ er sich
nicht das Geringste anmerken.
»Ein geschulter Sicherheitsmann wie Sie erkennt das Gesicht eines
Mitarbeiters nicht wieder und erinnert sich auch nicht an seinen Namen?«
»Das sollte nicht passieren, da stimme ich Ihnen zu.« Er quetschte
ein Lächeln heraus. »Was ist mit ihm?«
»Er hatte einen schweren Unfall.«
»Tut mir leid zu hören. Wie kommen Sie jetzt auf ihn?«
»Maybach war ein sehr guter Motorradfahrer. Der Sturz lässt einige
Fragen offen.«
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da helfen kann.« Peters schüttelte
mit leisem Bedauern den Kopf.
»Ja, sieht ganz so aus.«
»Wie geht es ihm denn?«
»Dazu kann ich nichts sagen.« Sie hob die Hände.
Peters nickte verständnisvoll. »Und was ist mit Kati? Hat sie sich
immer noch nicht gemeldet?«, fragte er weiter. »Oder sind Sie gar nicht mehr mit
der Suche nach ihr befasst?«
Johanna sehnte sich nach einem Kaffee und einer Packung Kekse.
Richards abgeklärte Art strengte sie an, und noch mehr machte ihr zu schaffen,
dass sie nichts in der Hand hatte, womit sie seine Haltung erschüttern konnte.
Sie lehnte sich zurück.
»Sie glauben nach wie vor nicht daran, dass ihr etwas zugestoßen
ist?«, fragte sie.
»Nein.«
»Was macht Sie so sicher?«
Peters lächelte. »Sie hat ihre Eltern verarscht. Und Eva auch.
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