Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
Vom Netzwerk:
Wirt den Commissario lautstark begrüßt hatte und Laura so lange anstarrte, bis Guerrini sie vorstellte. Fünf Minuten dauerte diese Zeremonie (» Che bella commissaria tedesca! »), dann saßen sie endlich an einem runden Bistrotisch nahe dem Fenster, konnten so den Eingang des Kommissariats sehen, ohne selbst aufzufallen. Laura genoss den bittersüßen Campari-Geschmack auf ihrer Zunge und erzählte Angelo von dem alten Herrn Mayer, der zwei Zimmer seiner großen Wohnung abgesperrt hatte, weil er sie nicht mehr brauchte. Der gern Schnaps trank und sich genau an die Vergangenheit erinnerte, aber nicht gern, weil die Vergangenheit wehtat.
    «Vielleicht hat er den Herzanfall erlitten, weil er sich zu sehr erinnert hat», sagte sie traurig.
    «Zu sehr erinnert», wiederholte Guerrini nachdenklich. «Du hast manchmal ungewöhnliche Einfälle.»
    «Aber das ist doch gar nicht so ungewöhnlich. Sich zu sehr erinnern – das machen wir doch alle ab und zu. Meistens an Ereignisse, die sehr wehtun. Und wenn wir uns dann erinnern, zerreißt es uns innerlich.»
    Guerrini schwenkte langsam sein Glas, und die Eiswürfel klingelten leise.
    «Ich erinnere mich zum Beispiel manchmal an einen Vogel, der in unseren Kamin gefallen war.» Laura folgte mit den Augen den kreisenden Eisstücken. «Drei Tage lang kämpfte er um sein Leben, wir hörten sein Flattern und Scharren … Es war ein Albtraum. Wir konnten ihn einfach nicht finden, obwohl meine Eltern alle Kaminöffnungen absuchten. Nach zehn Tagen fand meine Mutter ihn – er hatte sich bis in den alten Herd vorgearbeitet, mit dem früher der Waschkessel geheizt wurde. Natürlich war er tot. Uns allen ist regelrecht das Herz gebrochen. Ich erinnere mich bis heute genau an dieses Gefühl hilfloser Wut. Es überdeckte für eine Weile das ganze Leben … es ist wie ein Muster, das sofort auftaucht, wenn ich nicht in der Lage bin, etwas Schreckliches zu verhindern.»
    Sie war Angelo dankbar, dass er nicht die Hand auf ihren Arm legte oder irgendetwas Mitfühlendes sagte, sondern sie einfach nur ansah und zuhörte. Seit den Schüssen bei Asciano fühlte sie sich ziemlich wackelig.
    Keine Tränen, dachte sie – sich selbst beschwörend. Keine Tränen. Keine Tränen. Entschlossen hob sie ihr Glas und prostete Angelo zu. «Auf unsere verborgenen Muster!»
    Er lächelte kaum merklich, hob ebenfalls sein Glas.
    «Auf dich und deine seltsamen Einfälle. Vielleicht hat sich auch Altlander zu sehr erinnert. An etwas, das ihn verletzte, aufregte, das ihn ankotzte, wie er es selbst einigen Leuten gesagt hat, und das ihn das Leben gekostet hat.»
    «Ich bin sicher, dass es etwas in dieser Richtung sein muss.» Laura stellte ihr Glas auf das runde Marmortischchen und beugte sich vor.
    «Da kommt Peters!»
    Der bärtige Friese hatte sich vom Strom der Touristen abgesondert und stand jetzt ein paar Meter vom Eingang des Kommissariats, fuhr nervös mit einer Hand über seinen Hinterkopf, wandte sich ab, entfernte sich einige Schritte, gab sich dann aber einen Ruck und trat durch die Pforte. Sofort wurde er von zwei Wachhabenden in Empfang genommen.
    «Warten wir noch fünf Minuten», murmelte Guerrini, «dann wird er noch ein bisschen nervöser.»
    Laura nickte. «Anstatt Campari zu trinken, sollten wir eigentlich in deinem Büro sitzen und Archivmaterial studieren. Ich wette …»
    «Pssst!» Guerrini schüttelte den Kopf. «Es tickt schon wieder, dieses deutsche Pflichtbewusstsein, Commissaria! Ich wette mit dir, dass wir bei diesem Campari mehr Einsichten hatten als beim Studieren von alten Akten. Das können wir immer noch machen!»

    «Und was nun?», fragte Guerrini, als sie darauf warteten, dass Peters zu ihnen in den Vernehmungsraum geführt wurde.
    «Ich werde bluffen. Was anderes bleibt uns gar nicht übrig. Wir können also nur hoffen, dass es funktioniert.» Laura lief mit verschränkten Armen auf und ab.
    «Und du wirst natürlich deutsch mit ihm sprechen, was mich in eine unangenehme Lage bringt. Mir ging es schon vorhin bei deinem Telefongespräch so. Ich verstehe überhaupt nichts, wenn du deutsch redest.»
    «Aber es ist sicher besser, wenn ich mit ihm deutsch rede. Ich werde übersetzen.»
    «Aber ich kann nicht spontan eingreifen. Für dich ist es ein Heimspiel.»
    «Also hast du doch Probleme damit!»
    «Nein, aber ich will wissen, was läuft!»
    «Es gibt Sprachkurse!»
    «Manchmal bist du ein richtiges Biest!»
    «Na, zum Glück!»
    «Also gut, rede deutsch mit ihm.»
    «

Weitere Kostenlose Bücher