Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
weil immer das Telefon klingelt», flüsterte sie zurück.
Es klingelte.
Dottor Montelli sei bereit, den Commissario gegen vier Uhr nachmittags zu empfangen, richtete die kühle Frauenstimme aus, und Guerrini trat gegen seinen Papierkorb, als er den Hörer weglegte.
«Willst du allein hinfahren?», fragte Laura.
«Vielleicht. Ich weiß es nicht. Nein, ich möchte, dass du mit Tommasini in der Nähe bleibst!»
«Wie du willst. Aber könntest du vielleicht diesen blöden Montelli kurz vergessen und dir einen blonden hageren Deutschen vorstellen, der Peters heißt? Mit dem müssen wir nämlich anfangen, um deinen Montelli zu erwischen!»
Guerrini bückte sich, stellte seinen Papierkorb wieder auf, sammelte die verstreuten Blätter ein.
«Ich würde gern einen Aperitiv mit dir trinken, ehe dieser Peters kommt. Irgendwas Bitteres, Campari vielleicht. Ich muss kurz abschalten. Kommst du mit?» Er sah sie fragend an, presste die Lippen zusammen, als wieder das Telefon klingelte.
« Pronto! Kannst du die Leute nicht abwimmeln, d’Annunzio? Wozu machst du eigentlich Telefondienst?» Er lauschte, hielt dann Laura den Hörer hin. «Für dich!» Er sah aus, als würde er gleich wieder gegen den Papierkorb treten. Zögernd nahm Laura den Hörer entgegen.
«Ja, d’Annunzio … wer ist es denn?»
«Un commissario tedesco.»
«Gut, stell ihn durch. Danke.»
Es war Peter Baumann.
«Das ist ja wie beim Buchbinder Wanniger!», stöhnte er. Diesen Vergleich liebte Baumann, wie auch Karl Valentin, den tragischen Komiker und Erschaffer des Buchbinders. «Ich glaube, dass ich inzwischen zweimal quer durch Italien verbunden wurde.»
«Und warum hast du mich nicht auf dem Handy angerufen?»
«Weil ich da überhaupt keine Verbindung bekommen habe. Irgendeine technische Störung. Bist du es wirklich?»
«Jaja, ich bin es wirklich. Was gibt es denn?»
«Schlechte Nachrichten: Der gute Karl-Otto Mayer hatte einen Herzanfall, und die Ärzte im Schwabinger Krankenhaus meinen, dass er wahrscheinlich nicht mehr aufwacht. Ich hatte ihn beinahe so weit, mir die Geschichte von dem Dobler zu erzählen. Da muss kurz vor Kriegsende was ziemlich Schlimmes passiert sein. Der alte Herr wollte sich lange nicht daran erinnern, weil es ihn zu sehr aufrege, hat er gesagt.»
«Hat er deshalb einen Herzanfall bekommen? Hast du ihn unter Druck gesetzt?»
«Nein, nicht besonders … aber natürlich habe ich ihn in gewisser Weise unter Druck gesetzt. Einfach weil ich immer wieder bei ihm aufgetaucht bin. Wir haben uns gut unterhalten. Ich mag ihn, den alten Schnapsler. Geschichtliche Nachforschungen können manchmal ganz interessant sein.»
«Ganz neue Erkenntnisse, wie? Du hast also gar nichts rausgekriegt?»
«Nichts Konkretes – nur völlig neue Einsichten in die Techniken, mit denen unsere Altvordern sich durchs Dritte Reich gemogelt haben.»
«Auch kein schlechtes Ergebnis. Jetzt müssen wir also von vorn anfangen, oder?»
«Sieht so aus. Ich bin dabei, noch ein paar andere Alte auszugraben, und ich glaube, man könnte auch Leute finden, die damals noch halbe Kinder waren, aber trotzdem was mitgekriegt haben …»
«Was ist denn mit dir los, Peter?»
«Na ja, wenn du nicht da bist und gerade nichts anderes läuft. Wie geht es denn bei euch voran? Unser Chef wartet auf die fette Story für die Presse.»
«Sag ihm einen schönen Gruß, er bekommt sie bald. Ich werde ihm sowieso heute eine E-Mail schicken. Bisher gilt völlige Nachrichtensperre wegen äußerst schwieriger Ermittlungen.»
«Ist das eine Ausrede, oder stimmt das?»
«Es ist keine Ausrede, und du kannst dem Chef ausrichten, dass es nicht nur schwierige, sondern gefährliche Ermittlungen sind.»
«Kein Witz?»
«Kein Witz!»
«Pass auf dich auf, Laura!»
«Danke, das hat mein Vater auch gesagt.»
«Ach du lieber Himmel, der ist ja auch dabei.»
«Ja, aber er macht sich prima. Gibt’s sonst noch was?»
«Nein. Grüß den Commissario.»
«Ich werd’s ausrichten. Servus.»
Langsam legte Laura das Telefon auf Guerrinis Schreibtisch zurück, atmete tief durch.
«Schlechte Nachrichten?» Guerrini griff nach seinem Jackett.
«Irgendwie schon, traurige zumindest. Lass uns gehen und etwas trinken.»
Guerrini führte Laura in eine kleine Bar, die schräg gegenüber vom Kommissariat lag. Er meinte, von hier aus könnten sie das Kommen des Kinderbuchautors beobachten und trotzdem in Ruhe einen Campari trinken. Die Ruhe stellte sich allerdings erst ein, nachdem der
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