Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
härter zu.
«Natürlich habe ich sie eingesetzt. Mein Vater kennt Altlander und deiner Montelli und diverse andere aus dieser Gegend. Was ist also dabei, wenn die beiden die Zeitungen und Zeitschriften durchsehen? Und bitte sag jetzt gar nichts, sondern lass uns zum Essen gehen. Ich habe nämlich Hunger!»
Guerrini ließ es dabei bewenden. Allerdings war er auf dem Weg zum Haus seines Vaters betont schweigsam. Er dachte darüber nach, dass Laura tatsächlich in bestimmte leere Räume vordrang. In andere allerdings, als er vermutet hatte.
«Ich habe mich daran erinnert, dass ich noch besonders gute getrocknete Trüffel vom letzten Jahr hatte, und weil es sonst schwierig ist, euch zu sehen, da dachten wir …»
«Tutto è bene, padre!», unterbrach Guerrini die Rechtfertigungsrede seines Vaters. «Wir freuen uns darüber, wirklich!»
«Du siehst überhaupt nicht aus, als würdest du dich freuen. Deine selige Mutter würde sagen, dass du besser einmal um die Häuser gehen solltest, um dein Gesicht auszuwechseln!» Fernando Guerrini hatte inzwischen seine Partisanenkleidung abgelegt und glich an diesem Tag eher einem toskanischen Jäger.
Angelo tat so, als hätte er die Bemerkung seines Vaters nicht gehört, begrüßte den alten Gottberg und anschließend besonders ausgiebig den Hund.
Der Tisch war bereits gedeckt, diesmal auf der Veranda, die von dichten Weinranken beschattet wurde und den Blick über die Dächer der Stadt bis zu den sanften Hügeln Richtung Grosseto freigab.
Es gab kühlen Weißwein aus einer Karaffe, Wasser, frisches Brot und gemischten Salat.
«Morgen wollen wir nach Santa Fiora!» Lauras Vater hatte rosige Wangen, und seine Augen leuchteten. «Seit zwanzig Jahren war ich nicht mehr in Santa Fiora! Ich hätte nie gedacht, dass ich es nochmal wiedersehe.»
«Santa Fiora?», fragte Laura ein bisschen abwesend.
«Santa Fiora ist ein Traum. Es liegt hinter dem Monte Amiata, und wenn du es genau wissen willst: Du bist in Santa Fiora entstanden!»
«Oh», sagte Laura.
Der alte Gottberg aber lächelte und legte seine Hand auf die ihre. «Wo bist du denn mit deinen Gedanken, Laura? Soll ich mal in die Hände klatschen, damit du aufwachst?» Er klatschte.
«Danke, Babbo. Dieser Fall macht uns ganz verrückt. Entschuldige.»
«Na, dann hoffe ich, dass ihr beide bald fröhlicher schaut. Fernando und ich haben nämlich etwas entdeckt, das euch vielleicht weiterhelfen wird.» Triumphierend hielt der alte Gottberg eine kleinformatige Zeitung hoch.
«Jaja!», murmelte Fernando Guerrini. «Mein Sohn kann froh sein, dass ich meinen Verstand noch halbwegs beieinander habe. Jetzt passt mal auf! Seht ihr dieses Foto?» Er schlug die Seite drei der kleinen Zeitung auf. Das zweispaltige Schwarz-Weiß-Foto war nicht von erstklassiger Qualität, trotzdem konnten sie die Person in der Mitte erkennen. Es war Giorgio Altlander – erheblich jünger zwar, aber mit den unverkennbaren hageren Gesichtszügen. Er hielt eine Fahne hoch, die natürlich grau war und doch eindeutig rot. Neben ihm stand eine zweite Person, sehr eng neben ihm sogar, in engster Umarmung sozusagen. Ein junger Mann, kleiner als Altlander, mit halblangen Haaren und bemerkenswert hübsch. Er lachte, und etwas mitreißend Siegessicheres lag in der Art, wie er seinen freien Arm hochstreckte und dabei die Faust ballte. Den anderen hatte er um Altlanders Hüften geschlungen.
«Das!», sagte der alte Guerrini bedächtig. «Das ist Paolo Montelli. Da steht außerdem ein ganz unauffälliger Satz in dem Artikel: Sie waren eigentlich das perfekte revolutionäre Paar. Und jetzt esst den Salat, sonst werden die Tagliatelle kalt!»
«Sie kannten sich also von früher!», sagte Laura, als sie zur Questura zurückgingen. «Es kann eine ganz gewöhnliche Kameradschaft gewesen sein oder mehr.»
Angelo erwiderte nichts, ging mit gesenktem Kopf neben ihr. Die Zeitung hielt er so unterm Arm, als würde er sie gleich fallen lassen. Es war das Parteiblatt einer Splittergruppe der ehemaligen PCI. Laura warf ihm einen prüfenden Blick zu. Er wirkte völlig unnahbar.
Jetzt weiß ich wieder nicht weiter, dachte sie. Ein Spatzenschwarm senkte sich wild flatternd und tschilpend auf das Kopfsteinpflaster vor ihnen. Alle Spatzen hackten auf einen ein, der sich duckte und erfolglose Fluchtversuche unternahm. Federchen wirbelten auf, und so unvermutet dieser Aufruhr begonnen hatte, so unvermutet endete er. Der Geprügelte schüttelte sich, flog auf einen Fenstersims
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