Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Gottberg und zeigte jetzt den Ausdruck geradezu nackter Neugier.
«Haben Sie gesagt Kripo?»
Laura nickte und zeigte ihren Ausweis.
«Kriminalhauptkommissarin», las die junge Frau beinahe ehrfürchtig. «Ja, so was! Noch nie war die Kripo bei uns. Ganz ehrlich! Und ich bin schon beinahe zehn Jahr in dem Job!»
«Kann ich reinkommen?» Laura lächelte und tat einen Schritt nach vorn. Die junge Frau aber machte keine Anstalten, sie einzulassen, sondern schaute sich suchend nach rechts und links um.
«Wo sind denn die Kollegen?»
«Welche Kollegen?»
«Ich meine die Kommissare?»
«Keine Kommissare. Eine Kommissarin, Gottberg ist mein Name.»
«Oh!», machte die Frau enttäuscht. «Ja, dann kommen S’ halt rein.»
Laura folgte ihr durch einen geräumigen Flur, dessen Wände mit Aufnahmen historischer Mietshäuser bedeckt waren. Die Frau warf ihre langen Zöpfe über die Schultern, ihr weiter Rock schwang hin und her. In einem kargen Zimmer mit Schreibtisch und Gummibaum wies sie auf einen Stuhl, verschanzte sich dann hinter dem Tisch und fragte:
«Um was geht’s denn?»
«Es wäre nett, wenn Sie sich vorstellen würden», entgegnete Laura sanft. «Meinen Namen kennen Sie ja inzwischen.»
«Unterberger, Theresia!», sagte die Frau schnippisch, und ihr Blick war jetzt nicht mehr neugierig, sondern wachsam, fast schlau. «Ich bin hier nur die Sekretärin. Wenn Sie was Spezielles wissen wollen, dann muss ich natürlich die Vorstände anrufen. Über Mieter darf ich sowieso keine Auskunft geben, des is ja klar!»
Ich hätte Baumann schicken sollen, dachte Laura. Dem würde sie wahrscheinlich alles erzählen, weil er ein Kommissar ist und gut aussieht wie die Jungs im Tatort .
«Es geht um einen ehemaligen Mieter, der bereits verstorben ist», sagte sie laut und ging auf den beinahe unverschämten Ton nicht ein.
«Hat er was ausg’fressen?»
«Im Augenblick wüsste ich nur gern, was er zwischen 1940 und 1945 gemacht hat. Da wohnte er nämlich in einer Wohnung Ihrer Baugenossenschaft.»
«Des is ja schon über sechzig Jahr her. Da war ich ja noch nicht einmal auf der Welt. Des is ja Schnee von vorgestern. Da steht nix im Computer, des kann ich Ihnen garantieren, Frau Kommissarin. Da müssen wir die ganz alten Akten raussuchen – aber garantieren kann ich nix. Ich weiß nicht, ob wir da überhaupt noch Unterlagen haben! Was hat er denn ausg’fressen?»
Theresia Unterberger beugte sich mit einem gierigen Gesichtsausdruck vor, als könnte sie Laura auf diese Weise ihr Wissen entreißen, und Laura entschloss sich, ihr einen Brocken hinzuwerfen.
«Genau das möchte ich herauskriegen – er ist nämlich umgebracht worden.»
«Was, umgebracht!?»
«Jaja.»
«Und warum?»
«Ich weiß es nicht.»
«Aber der … der muss ja schon uralt gewesen sein. Mindestens neunzig oder hundert!»
Laura nickte.
«Ja, wer bringt denn so einen alten Mann um?»
«Das würde ich gern herausfinden, mit Ihrer Hilfe, Frau Unterberger.»
«Ja, wenn ich des kann?»
«Natürlich können Sie, ich werde Ihnen Kommissar Baumann als Assistenten schicken. Der studiert gern alte Akten. Glauben Sie, dass Sie eine Liste der ältesten Mieter dieser Baugenossenschaft aufstellen könnten? Also von Leuten, die schon im Zweiten Weltkrieg hier gewohnt haben?»
Theresia Unterberger starrte Laura mit halb zusammengekniffenen Augen an.
«Da sind nicht mehr viele da – aber ein paar gibt’s noch. Des is eine zähe Generation, Frau Kommissarin. Die sitzen zum Teil in Wohnungen, die viel zu groß für sie geworden sind. Aber meinen S’, dass die rausgehen? Da warten Familien mit drei Kindern auf so große Wohnungen. Aber keine Chance. Die rühren sich keinen Millimeter. Raustragen muss man sie. So is des!»
«Na ja, kann man verstehen, oder?»
«Ich versteh’s nicht, Frau Kommissarin. Ich bin schon fünfmal umgezogen und hab’s noch nie bereut!»
«Wir Menschen sind verschieden. Ich zieh auch nicht gern um. Also, krieg ich meine Liste? Sie können sie ins Präsidium faxen oder per E-Mail schicken. Ich geb Ihnen meine Karte – und den Kommissar schicke ich morgen vorbei. Ist das recht?»
Und tatsächlich: Theresia Unterberger errötete sanft und nickte, aber in ihren Augen blitzte Abenteuerlust.
Commissario Guerrini erreichte das kleine Bauernhaus von Elsa Michelangeli gegen Mittag. Es war ungewöhnlich heiß für Anfang Juni, Hitzeschwaden flirrten über dem Feldweg, der sich in weiten Bögen den Hang hinaufwand und endlich in
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