Wolfstraeume Roman
Trotzdem streckte ich ihm meine Hände entgegen. Er stand auf und holte das Verbandszeug und die Wundsalbe.
»Jetzt schau dir das an.« Beide starrten wir auf meine Haut, als Red die Bandagen abgemacht hatte. Sie war nicht mehr so rot und roh wie noch am Tag zuvor. Die Verbrennungen sahen eher danach aus, als wären sie mindestens zwei Wochen alt.
»Spürst du das, Doc?« Er strich mit dem Finger vorsichtig über meinen Handrücken.
Ich folgte der Spur seines Fingers, konnte ihn aber nicht fühlen. Also schüttelte ich den Kopf.
»Das heilt so schnell, weil du den Virus in dir trägst. Glaubst du mir jetzt?«
Langsam bewegte ich meine Finger und berührte dann selbst meine Knöchel. »Ich kann das auch nicht fühlen.«
»Vielleicht wenn es einen vollständigen Wandel gibt... möchtest du, dass ich versuche, ihn schneller herbeizuführen?«
Dieser Vorschlag jagte mir einen echten Schreck ein. Rational konnte ich mir nicht ganz erklären, warum ich auf einmal solche Angst bekam. »Ich weiß nicht... ich glaube nicht, dass ich schon so weit bin.«
Red sah mich auf jene Weise an, wie man manchmal Hunde ansieht, die nicht parieren – mit einer auffordernden Beharrlichkeit. »Ich glaube, du bist schon wesentlich weiter, als du annimmst.«
Die Angst war genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Was ich jetzt empfand, war allerdings noch schwerer zu ertragen. »Oh, Red.« Insgeheim fragte ich mich, ob ich wohl jemals so viel für ihn empfinden würde, wie er das offenbar für mich tat.
»Wie wäre es damit? Ich verwandle mich, und dann finden wir eine Möglichkeit, wie wir dich verwandeln.«
»Einversranden«, erwiderte ich. »Dann zeig mir mal, was du kannst.«
Spöttisch zog Red eine Augenbraue hoch. »Redest du so... mit allen deinen Männerbekanntschaften?«
Ich strich ihm über die Wange und grinste verschmitzt. »Was soll ich denn sagen?«
Er kam so nahe, dass er mit seiner Nasenspitze die meine berührte. »Sag zum Beispiel: >He, ich wusste ja gar nicht, dass du so unglaublich se... <«
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Wir erstarrten. Der Apparat stand direkt neben dem Bett. »Heb nicht ab, Doc.«
»Und wenn es ein Notfall ist?«
Er seufzte. Als ich mich aufsetzte, schaltete sich der Anrufbeantworter ein. »Sie sind mit BeastCastle, dem Tierheim für ausgesetzte, misshandelte sowie ungewollte Katzen und
Hunde verbunden«, verkündete die Stimme meiner Mutter auf ihre theatralische Art. »Augenblicklich kümmern wir uns um unsere Pfleglinge. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, und eine unserer aufopferungsvollen Helferinnen wird Sie so schnell wie möglich zurückrufen.«
»Ich bin auch aufopferungsvoll«, knurrte Red und stand auf.
»Still«, bat ich.
»Pagan? Ich rufe vom Flughafen aus an, um dir zu sagen, dass ich einen früheren Flug nach Hause nehme.« Es war meine Mutter, die ziemlich gestresst klang.
Red, der sich wirklich verblüffend schnell bewegen konnte, hatte schon abgehoben und hielt mir den Hörer ans Ohr, ehe ich auch nur darum zu bitten brauchte.
»Mom? Ich bin’s – Abra. Warum kommst du schon zurück? Du wolltest doch länger bleiben.«
»Abra. Wo ist Pagan?«
»Bei ihrem Freund. Mom, hör zu. Du musst dir keine Sorgen machen, aber ich wollte dir sagen, dass ich...««
»Warte. Es wird gerade etwas durchgesagt... nein, doch nicht. Abra, mein Flugzeug wird heute Abend landen, aber offenbar gibt es ein paar Verspätungen. Ich könnte also ziemlich spät eintreffen.«
Ich sah Red an, während ich mit meiner Mutter redete. Seine Iris zeigte dunkelgrüne und goldene Flecken, während seine Wimpern in Gold getaucht zu sein schienen. Ich strich über die kleinen Krähenfüßchen um seine Augen, die ausgeprägter erschienen, wenn er lächelte.
»Mom, hör zu. Bevor du zurückkommst, möchte ich dir erzählen, was passiert ist. Hunter und ich... wir... wir hatten Streit.«
»Das ist die Schwangerschaft, Abra. Hunter kann den Gedanken nicht ertragen, durch irgendetwas oder irgendjemanden gebunden zu werden. Ich habe dir das schon immer gesagt. Emotional ist er nie über das Alter von sechzehn hinausgekommen. Er will, dass du für ihn das Heim darstellst, das er immer wieder verlassen kann.«
Ich bemerkte, wie Reds Augen ein wenig schadenfroh zu blitzen anfingen. Offenbar konnte er jedes Wort meiner Mutter verstehen.
»Mom, ich bin nicht schwanger. Das war bloß ein Fehlalarm. Außerdem habe ich Hunter verlassen. Und da gibt es noch etwas.«
»Einen
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